Bewegung, Sport, Gewichtsreduktion, Diät sowie Raucherentwöhnung bilden die Eckpfeiler der nicht-medikamentösen
Sekundärprophylaxe nach erstem Herzinfarkt, denn sie erniedrigen das Risiko für einen vorzeitigen Herztod.
Bisher fehlen randomisierte und prospektive Studien zur Hochdruckbehandlung nach Herzinfarkt. Die vorliegenden Indizien auf Abnahme der
Gesamtletalität bei antihypertensiv behandelten Postinfarktpatienten mit Hochdruck sind nur gering. Insgesamt spricht jedoch vieles für eine
antihypertensive Behandlung von Postinfarktpatienten mit konstant erhöhten diastolischen Druckwerten über 95 mmHg. Mittel der Wahl sind
Betarezeptorenblocker und vielleicht in Zukunft auch ACE-Hemmer, letzte bei besonders gefährdeten Infarktuntergruppen (z.B. mit ausgedehntem
Vorderwandinfarkt).
Weder die Ergebnisse der 1970-1975 veröffentlichten Studie über die Lipidsenkung durch Thyroxin, Östrogene, Clofibrat oder
Nikotinsäure noch die Ergebnisse weiterer Studien sprechen für eine Letalitätsänderung durch eine medikamentöse Senkung des
Cholesterinspiegels. Weitreichende und vorzeitige Therapieempfehlungen zur medikamentösen Lipidsenkung werden unterschiedlich gesehen: "In einem
sehr kritischen, wissenschaftlich puristischen Leitartikel wird eine Indikation für eine diätetische oder medikamentöse Lipidsenkung nach Herzinfarkt
zum jetzigen Zeitpunkt verneint". Im Gegensatz zur dünnen Datenlage stehen die weitreichenden Empfehlungen der Europäischen Atherosklerose-
Gesellschaft.
Diätetische Maßnahmen sind sinnvoll, wenn der Cholesterinspiegel über 250 mg/dl oder die LDL-Cholesterinkonzentration über 170 mg/dl liegt.
"Eine medikamentöse Zusatztherapie läßt sich ... jedoch nur vertreten, wenn trotz Diät die Cholesterinspiegel bei jüngeren Patienten
nach Herzinfarkt deutlich oberhalb dieser Werte liegen. Dieses Vorgehen entspricht in etwa den aktuellen amerikanischen Empfehlungen" (vgl. a-t 2 [1988],
19). Die medikamentöse Zusatztherapie mit Lipidsenkern sollte mit den schon länger erprobten und in primärprophylaktischen Studien erfolgreichen
Wirkstoffen wie Gemfibrozil (GEVILON), Colestyramin (QUANTALAN) oder Nikotinsäure (NICONACID) erfolgen. Die neuartigen HMG-CoA-Reduktasehemmer
vom Typ des Lovastatin (MEVINACOR) wurden bisher weder in primär- noch in sekundär-prophylaktischen Langzeituntersuchungen untersucht.
"Eine wissenschaftlich fundierte Bewertung dieser Substanzklasse im Rahmen der Sekundärprävention ist z. Zt. noch nicht
möglich."
Zwei neuere Studien belegen den Nutzen einer Antikoagulation nach Infarkt (mit Heparin [LIQUEMIN u.a.] subkutan) bzw. Warfarin (COUMADIN) per os.
Während die generelle Gabe von Antikoagulanzien nach Infarkt umstritten erscheint, bilden ein großer Vorderwandinfarkt, eventuell mit Aneurysma,
Ventrikelthromben oder Vorhofflimmern Anlaß für eine wenigstens 3- bis 6monatige Blutgerinnungshemmung, vorausgesetzt daß die
Kontraindikationen strenge Beachtung finden, der Patient zuverlässig mitmacht und eine optimale Kontrolle stattfindet.
Omega-3-Fettsäuren (als sogenanntes Fischöl bekannt; MAXEPA u.a.) sind in der Primär- und Sekundärprophylaxe nach Herzinfarkt
noch nicht untersucht worden (s. auch a-t 1 [1990], 7).
Kalziumantagonisten wie Nifedipin (ADALAT u.a.) oder Verapamil (ISOPTIN u.a.) haben keine erwiesene sekundärprophylaktische Wirkung, gemessen
an Letalität und Reinfarktrate. Bei Non-Q-wave-Infarkt vermindert Diltiazem (DILZEM) Reinfarkte und kardiale Todesfälle.
Ob die langfristige Behandlung mit einem ACE-Hemmer Letalität, Reinfarktrate und Entwicklung einer Herzinsuffizienz nach einem Infarkt vermindern
kann, ist gegenwärtig Gegenstand von Untersuchungen.
Die Wirksamkeit der Nitrate bei Angina pectoris und in der akuten Infarktphase ist unumstritten, ihre Verwendung zur Langzeitprophylaxe nach Infarkt
hingegen nicht gesichert.
Antiarrhythmika stehen im Verdacht, durch ihre arrhythmogene Wirkung die Sterblichkeit gegenüber plazebobehandelten Patienten sogar zu
erhöhen (vgl. a-t 8 [1989], 74). Die vorliegenden Daten sprechen gegen die kritiklose Verwendung von Antiarrhythmika der Klasse I nach Herzinfarkt.
Demgegenüber gibt es Indizien für eine antifibrillatorische Wirkung der Betarezeptorenblocker über ihre antiarrhythmische Wirkung hinaus.
Betarezeptorenblocker besitzen in der Sekundärprophylaxe nach Herzinfarkt einen hohen, weithin gesicherten Stellenwert. So ist eine
sekundärprophylaktische Wirkung in der Langzeittherapie für Metoprolol (BELOC u.a.), Timolol (TEMSERIN) und Propranolol (DOCITON u.a.)
beschrieben worden. Die Frage, ob alle Patienten oder nur bestimmte Untergruppen nach Infarkt mit Betarezeptorenblockern behandelt werden müssen, ist
offen.
Plättchenaggregationshemmer vom Typ der Azetylsalizylsäure (ASPIRIN u.a.) in Tagesdosen zwischen 100-330 mg sollten
sekundärprophylaktisch zunächst für zwei Jahre eingesetzt werden. Diese Empfehlung stützt sich auf Untersuchungen, nach denen sich damit
etwa ein Drittel der nicht tödlichen Herzinfarkte oder nicht tödlichen Schlaganfälle sowie 15% der Gefäßtodesfälle verhindern lassen
(vgl. a-t 2 [1988], 17). Es besteht kein signifikanter Unterschied zwischen ASS-Tagesdosen von 300 mg und 900-1500 mg. Die Kombination mit Dipyridamol
(PERSANTIN u.a.) ist nicht wirksamer als die Monogabe der Azetylsalizylsäure (Dipyridamol dürfte jedoch wegen der bekannten Störung der
Autoregulation der Blutverteilung im Herzen ein Gefährdungspotential beinhalten; vgl. a-t 4 [1987], 40, Red.).
Die positiven Wirkungen einer frühen Streptokinase-Behandlung und von Azetylsalizylsäure summieren sich (vgl. a-t 2 [1990], 20): "Dadurch nimmt die Frühletalität bei Herzinfarkt weiter ab".
Nach den Autoren der hier referierten Übersicht reicht das Spektrum der Sekundärprophylaxe nach Herzinfarkt von Allgemeinmaßnahmen bis hin
zur operativen Intervention. Dazwischen steht die medikamentöse Therapie, wobei hier der Nutzen von Betarezeptorenblockern und Azetylsalizylsäure am
besten belegt ist.
TRENKWALDER, P., H. LYDTIN: Dtsch. med. Wschr. 115 (1990), 1519
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