ZUR AUSWAHL VON FIBRINOLYTIKA BEI AKUTEM HERZINFARKT | ||||||||||||||
Seit Jahren wird darüber gestritten, welches thrombenauflösende Medikament die koronare Durchblutung in der Akutphase des Herzinfarktes
am schnellsten bessern kann, ohne Schadwirkungen zu entfalten. Der Nutzen von Fibrinolytika wie Streptokinase (STREPTASE u.a.), Urokinase (ACTOSOLV u.a.),
TPA (Alteplase [ACTILYSE]) und anisoyliertem Plasminogen-Streptokinase-Aktivator-Komplex (Anistreplase [APSAC, EMINASE]) gilt als erwiesen (vgl. a-t 2 [1990], 20).1 Zwei große Studien, GISSI-22* und ISIS-33** mit über 12.000 bzw.
41.000 Patienten vergleichen verschiedene Thrombolytika und gehen der Frage nach, ob Neuerungen oder Zusätze gegenüber Streptokinase klinisch
bedeutsame Vorteile erbringen.1
In der ISIS-3-Studie erhielten Patienten innerhalb von 24 Stunden nach Herzinfarkt randomisiert ein Fibrinolytikum zusammen mit Heparin (LIQUEMIN u.a.) und Azetylsalizylsäure (ASS [ASPIRIN u.a.]) bzw. nur ASS zusätzlich zur Fibrinolyse. Die aggressive antithrombotische Behandlung (Heparin und ASS) verringerte nicht die Gesamtsterblichkeit nach 35 Tagen und 6 Monaten und ging mit einem erhöhten Risiko transfusionsbedürftiger Blutungen einher. Allerdings war die Rate von Hirninsulten mit nachfolgender Behinderung oder Todesfolge unter Heparin/ASS nicht erhöht.1 Ob ein frühzeitiger Heparinbolus mit anschließender Heparininfusion zusätzlich zur Fibrinolyse einem erneuten Gefäßverschluß vorbeugt und die Überlebensrate erhöht, wird derzeit in der GUSTO-Studie*** untersucht. Das Risiko von Hirnblutungen könnte hierdurch vermehrt werden und den Vorteil einer verbesserten koronaren Eröffnungsrate zunichte machen.1
Heparin scheint gegenüber ASS in adäquater Dosierung (160-325 mg/Tag;1 vgl. a-t 2 [1988], 17, 11 [1991], 105) keinen zusätzlichen Vorteil zu beinhalten. Anistreplase bietet den Vorzug der Bolusinjektion und ermöglicht so den Behandlungsbeginn im Notarztwagen vor Aufnahme ins Krankenhaus (vgl. a-t 2 [1990], 20). Reinfarkte und Mortalität nach 35 Tagen und 6 Monaten sind jedoch unter Anistreplase und Streptokinase gleich hoch. In der Verträglichkeit schneidet Anistreplase gegenüber Streptokinase schlechter ab, da deutlich mehr allergische Reaktionen, Blutungen und Hirninsulte mit Dauerschäden und Todesfolge auftraten. TPA verringert die Reinfarktrate stärker als Streptokinase (2,9% gegenüber 3,5% Reinfarkte). Jedoch weisen die Ergebnisse aus ISIS-3, aus GISSI-2 und anderen kleinen Untersuchungen auf eine gleiche Sterblichkeit nach kurzem Beobachtungszeitraum unter TPA und Streptokinase hin.1 In der Verträglichkeit weist TPA bezüglich allergischer Reaktionen und niedrigem Blutdruck Vorteile gegenüber Streptokinase auf.1 Hirninsulte waren mit 1,3% der Behandelten unter TPA jedoch häufiger als mit 0,9% unter Streptokinase.4 TPA kann nur für wenige ausgewählte Patienten von Nutzen sein. Studien über die Antikörperbildung nach Streptokinasebehandlung ergaben bis zu einem Jahr anhaltende Titer, die die übliche Dosis von 1,5 Mio. IE Streptokinase inaktivieren können. Wegen des Risikos der fehlenden Wirksamkeit bei Patienten mit Reinfarkt, die bereits früher Streptokinase erhielten und wegen möglicher allergischer Reaktionen kann TPA neben Urokinase für diese Patienten von Nutzen sein (vgl. a-t 2 [1990], 20), zumindest solange kein Schnelltest für Antikörperbestimmungen gegen Streptokinase zur Verfügung steht.1 Die Ergebnisse aus ISIS-3 und GISSI-2 scheinen die Anwendung des preiswerteren Fibrinolytikums Streptokinase zu rechtfertigen (Kostenvergleich s. Kasten). Streptokinase wirkt vergleichbar gut wie Urokinase, Anistreplase und TPA und geht dabei mit einem niedrigeren Risiko eines Hirninsultes einher. FAZIT: Die Verringerung der Sterblichkeit nach akutem Herzinfarkt durch verschiedene Fibrinolytika wie Streptokinase (STREPTASE u.a.) Urokinase (ACTOSOLV u.a.), TPA (Alteplase [ACTILYSE]) und Anistreplase (APSAC [EMINASE]) ist aus früheren Untersuchungen bekannt. Vergleiche der verschiedenen Fibrinolytika bestätigen Streptokinase und Azetylsalizylsäure (ASS [ASPIRIN u.a.]) als Mittel der Wahl zur Behandlung des akuten Herzinfarktes. Heparin scheint keinen weiteren Nutzen zu erbringen. Eine verminderte Verschlußrate der Koronargefäße durch Heparinbolus und anschließende Infusion wird derzeit untersucht, birgt möglicherweise jedoch das Risiko vermehrter hämorrhagischer Hirninsulte.
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