Nach den Beunruhigungen um HIV-Infektionen durch Blutprodukte (vgl. a-t Sonderausgabe 10 [1993])
gelangen nun Hepatitis-C-Infizierungen durch Immunglobuline wie GAMMAGARD in den Blickpunkt (vgl. a-t 3 [1994],
31). Nach Entdeckung des Hepatitis-C-Virus (HCV) im Jahre 1989 stellte sich heraus, daß das RNA-Virus mindestens 90% der früher als Non-A-Non-B
bezeichneten Leberentzündungen verursacht.1 Seit 1990 werden Blutspender in Deutschland auf Antikörper gegen HCV untersucht.2
1992 waren etwa 15% der gemeldeten knapp 14.000 frischen Virushepatitiden HCV-bedingt. 0,2% bis 0,4% der Bevölkerung sollen das Virus
tragen.1
ÜBERTRAGUNG: Das höchste Infektionsrisiko bergen Blut, Blutprodukte, verpflanzte Organe oder kontaminierte Kanülen bei
gemeinsamem i.v.-Drogengebrauch. Bei bis zu 13% der Kinder HCV-Antikörper-positiver Mütter findet eine vertikale Übertragung statt.3
Infektionen durch Alltags- oder Sexualkontakte gelten als selten.2 Nur frisch Infizierten wird zu Schutzmaßnahmen geraten.4 Das gesamte
medizinische Personal einer Klinik, die mehr als 200 HCV-Patienten im Jahr behandelt, blieb in einem Überwachungszeitraum von drei Jahren HCV-negativ. In
einer Untersuchung an über 4.000 HCV-Infizierten im Raum Hamburg waren 23% drogenabhängig, 12% Gefangene, jeweils ca. 5% Bluter,
Dialysepatienten oder Transfusionsempfänger. Bei knapp der Hälfte ließ sich kein Infektionsrisiko ausmachen. Der Anteil medizinischen Personals,
durch Sexualkontakte oder perinatal Infizierter lag unter 1%.1
VERLAUF UND PROGNOSE: Eine akute HCV-verursachte Leberentzündung verläuft im allgemeinen leichter als die Hepatitis B. Fulminante
Erkrankungen mit akuter Leberdystrophie kamen bei über 4.600 Patienten nicht vor. Wahrscheinlich wird eine HCV-Infektion jedoch bei über 80% der
Betroffenen chronisch.1 Man schätzt, daß etwa jeder fünfte Patient mit chronischer C-Hepatitis nach Jahren oder Jahrzehnten eine
Leberzirrhose entwickelt.5 Auch die chronisch-persistierende Leberentzündung kann diesen Verlauf nehmen.4 Eine weitere Folge der HCV-
Infektion scheint das primäre Leberzellkarzinom zu sein. In einer retrospektiven Untersuchung an 67 HCV-Infizierten erkrankten zwei Personen 20 bzw. 25
Jahre nach Anstekkung an der bösartigen Geschwulst.1
DIAGNOSE: Antikörper gegen HCV lassen sich im Enzym-Immunoassay (ELISA) nachweisen. Positive Ergebnisse bedürfen der Bestätigung
mit dem rekombinanten Immunoblot-Test (RIBA).6 Blut, in dem HCV-Antikörper gefunden werden, enthält mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die
Viren selbst und ist als infektiös zu betrachten.1 Im Zweifelsfall sollen Personen mit positivem Antikörpernachweis auch auf Virus-RNA untersucht
werden.6 Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) kann die Krankheitserreger bereits ein bis zwei Wochen nach Infektion nachweisen1 auch bei
Abwehrgeschwächten, die nach Anstekkung oft keine Antikörper bilden.7 Transaminasenanstiege oder sonographische Krankheitszeichen
fehlen häufig bei HCV-verursachten chronisch-aktiven oder -persistierenden Leberentzündungen.8 Sichere Auskunft über den Zustand der
Leber gibt nur die Biopsie, die auch für asymptomatische Patienten mit positivem PCR-Nachweis empfohlen wird.6,8
THERAPIE: Zur Behandlung steht nur Interferon alfa (IFNα; INTRON A, für ROFERON-A keine zugelassene Indikation) zur
Verfügung.6 Die Therapie mit dem Virustatikum Ribavirin (VIRAZOLE) wird gegenwärtig erprobt.7 Interferone regen Zellen des
Abwehrsystems an, Eiweiße zu bilden, die die Virusvermehrung stören.5 Nach 13 randomisierten, kontrollierten Studien normalisieren 1, 2 bzw. 3
Millionen Einheiten (MU) IFNα subkutan dreimal wöchentlich über sechs Monate die Transaminasen bei 27%, 33% bzw. 41% der Patienten mit
chronischer Non-A-Non-B-Hepatitis, verglichen mit 2,6% in unbehandelten Gruppen.7 Nach vier Untersuchungen bessert sich die Leberhistologie bei
über der Hälfte derjenigen, die 3 MU INFα erhielten, nicht aber unter 1 MU oder Plazebo. Bei 50% bis 80% der Patienten steigen die Leberenzyme
nach Absetzen erneut an. Sie können mit weiteren Injektionen wieder gesenkt werden. Virus-Genotyp 1b und anhaltend hohe Titer auch unter der Therapie
sollen gegen einen voraussichtlichen Behandlungserfolg sprechen.10 Ob INFα HCV aus dem Blut entfernt oder das Fortschreiten einer chronischen
Entzündung zur Zirrhose verlangsamt, ist noch ungewiß.6
Fast alle mit INFα Behandelten leiden unter grippeähnlichen Symptomen, vor allem in den ersten vier Wochen der Behandlung, ein Drittel unter
Übelkeit und Erbrechen, ein Viertel unter vorübergehendem Haarverlust. Bei etwa 15% kommt es zu einer Depression von oft lebensbedrohlicher Schwere
(Suizidalität).5,6
Chronisch Hepatitis-C-Infizierte sollen den Immunmodulator erhalten, wenn Antikörper und Virus-RNA nachgewiesen, eine Hepatitis histologisch gesichert und
die Transaminasen mindestens um das Zweifache erhöht sind.9 Ausgeschlossen werden müssen zuvor Gegenanzeigen gegen Interferone wie
Krebs, schwere Herz- oder Lungenerkrankungen und Schwangerschaft, eine Leberzirrhose im Stadium CHILD* B und C sowie eine chronische
Autoimmunhepatitis9, die sich unter IFNα dramatisch verschlechtern kann.5
* Einteilung der Leberzirrhose nach Schweregrad unter Berücksichtigung von Serumalbumin und -bilirubin, Quickwert, Aszites
und Enzephalopathie
KOSTEN: Die Injektion von 3 Millionen I.E. des Interferon-alfa-Präparates INTRON A dreimal wöchentlich kostet gut 1.000 DM im
Monat.
FAZIT: Hepatitis-C-Viren (HCV) werden durch Blut, Blutprodukte, verpflanzte Organe, gemeinsam benutzte Kanülen für i.v.-Drogen oder perinatal,
selten auch durch Alltags- und Sexualkontakte übertragen. Tests auf HCV-Antikörper und Virus-RNA zeigen die Infektion an. Die Prognose ist nicht
günstig, da die Infektion zu über 80% chronisch wird. Die chronische Hepatitis C führt bei jedem Fünften zur Leberzirrhose und etwa bei 3% zum
Leberzellkarzinom. Bioptische Kontrollen sind erforderlich. Die Behandlung der chronischen Hepatitis C mit Interferon alfa (INTRON A, für ROFERON-A keine
zugelassene Indikation) bessert feingewebliche und Laborbefunde. Es fehlen allerdings Belege dafür, daß sich mit dem Interferon HCV eliminieren und der
Krankheitsverlauf verzögern läßt.
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