Ob Frauen nach der Lebensmitte dauerhaft Hormone einnehmen sollen, war Gegenstand der kontroversen Darstellung einer Düsseldorfer
Arbeitsgruppe in der a-t Sonderbeilage 4 (1995), 37. Die Schriftleitung der Deutschen Medizinischen Wochenschrift lehnte den Abdruck der wissenschaftskritischen
Publikation von I. MÜHLHAUSER et al. ab. Tageszeitungen und Wochenmagazine greifen den Tenor des a-t-Beitrages auf, nachdem sich Hinweise auf
Schadwirkungen der Hormonlangzeitmedikation verdichteten. Die neuen Befunde referierte u.a. die Süddeutsche Zeitung unter der Überschrift
"Wechselbäder nach den Wechseljahren" am 29. Juni 1995. Das "Östrogen-Dilemma": "Wir bieten Frauen ein erhöhtes
Brustkrebsrisiko im Alter von 60 Jahren, um mit 70 einem Herzinfarkt oder mit 80 einer Hüftfraktur vorzubeugen."1
Da der Wissensstand fragmentarisch ist, müssen neue Wege zur besseren Nutzen-Risiko-Abschätzung gefunden werden insbesondere im
Hinblick auf Thromboemboliefrequenz und Lebenserwartung. Frauen, die in der Postmenopause mehr als fünf Jahre lang Östrogene einnehmen, haben
gegenüber Nichtanwenderinnen ein um fast die Hälfte erhöhtes Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Daten aus der US-amerikanischen Nurses'
Health Study, die im Beobachtungszeitraum von über 725.000 Frauenjahren 1935 neu diagnostizierte Mammakarzinome dokumentieren, bestätigen den
vielfach geäußerten Verdacht (vgl. a-t 3 [1992], 29). Besonders gefährdet sind offensichtlich
ältere Frauen: Für 60- bis 64jährige steigt das relative Risiko nach längerfristiger Einnahme um rund 70%.
Die gleichzeitige Einnahme von Gestagenen, die vor einem Östrogen-bedingten Endometriumkarzinom schützen können, mindert das erhöhte
Brustkrebs-Risiko nicht.1 Gelbkörperhormone sollen die Proliferation des Mammaepithels fördern und verstärken möglicherweise die
ungünstige Östrogenwirkung.2,3
Eine weitere Analyse von Daten aus der 1976 angelegten Kohorten-Studie an Krankenschwestern läßt einen Zusammenhang der Hormonsubstitution mit
erhöhtem Risiko eines Lupus erythematodes erkennen. Die Häufigkeit der Erkrankung steigt mit der Dauer der Anwendung. Steroidale
Geschlechtshormone sollen an der Entstehung der Autoimmunerkrankung beteiligt sein.4
FAZIT: Es wird empfohlen, die Einnahme von Östrogenen oder Östrogen/Gestagen-Kombinationen zur Linderung von Beschwerden der Wechseljahre
auf etwa fünf Jahre zu beschränken. Ein anhaltender Schutz vor Osteoporose ist andererseits nur bei weitaus längerer Östrogen-Einnahme zu
erwarten. Die Vorbeugung kardiovaskulärer Erkrankungen mittels Langzeiteinnahme von Sexualhormonen entbehrt gegenwärtig der
naturwissenschaftlichen Grundlage (vgl. a-t 4 [1995], 37). Ein Effekt von Östrogenen auf die psychische
Befindlichkeit konnte nicht nachgewiesen werden.5
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