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Übersicht

BEHANDLUNG DES SCHEIDENSOORS

Drei von vier Frauen erkranken im Laufe ihres Lebens an einer Candida-Infektion der Scheide.1 Etwa 4% leiden an chronisch rezidivierender Soorkolpitis mit mindestens vier Rückfällen im Jahr.2 Auch gesunde Frauen tragen den Keim: Bei jeder fünften im gebärfähigen Alter findet sich der Hefepilz im Genitaltrakt.3 In 80% bis 95% der Abstriche läßt sich Candida albicans isolieren. 5% der vaginalen Infektionen werden durch die häufig gegen Azol-Antimykotika resistenten C. glabrata hervorgerufen.1

RISIKOFAKTOREN: Candidabedingte Scheidenentzündungen kommen hauptsächlich bei Frauen im gebärfähigen Alter vor, selten vor der Menarche oder nach der Menopause – ein Hinweis auf Hormonabhängigkeit. Nur bei einem kleinen Teil der Betroffenen lassen sich Umstände erkennen, die eine Soorkolpitis begünstigen. Enge oder synthetische Kleidung, Intimsprays und Scheidenspülungen schaden dem Scheidenmilieu und fördern Mykosen. Besonders Schwangerschaft (Hefebefall vor der Geburt: 30%2), Behandlung mit Breitspektrumantibiotika, Anwendung hochdosierter oraler Kontrazeptiva, Diabetes mellitus und HIV-Infektion begünstigen die Besiedlung oder Infektion der Scheide mit dem Hefepilz.3

BESCHWERDEN UND KLINISCHE ZEICHEN: Intensiver Juckreiz der Vulva und Vagina wird oft als quälend empfunden. Der häufig cremig- weiße ("quarkähnliche") Ausfluß kann fehlen, kann aber auch dünnflüssig oder sogar eitrig sein.1,3 Bei Nichtschwangeren setzen die Beschwerden oft in der Woche vor der Menstruation ein. Schmerzen beim Wasserlassen und beim Geschlechtsverkehr kommen bei der Soorkolpitis vor.1 Rötung und Schwellung der Labien und Vulva sowie Erythem der Vaginalschleimhaut mit weißlichen Auflagerungen ("Soorrasen") kennzeichnen das klinische Bild.3

Die geklagten Beschwerden lassen nicht zuverlässig auf die Diagnose schließen. Die für Candida spezifische Symptomkonstellation Juckreiz ohne Ausfluß sagt nur bei gut einem Drittel der Betroffenen eine Soorkolpitis vorher. Selbstmedikation mit lokalen Antimykotika* wird daher nur Frauen mit häufigem Befall und erneuten Symptomen unter Antibiotikatherapie empfohlen.3

DIAGNOSE: Die mikroskopische Untersuchung des Scheidensekrets sichert die Diagnose bei den meisten Frauen mit symptomatischer Vaginitis einfach und rasch.3 Fehlender Nachweis im Nativ-Präparat schließt eine Pilzinfektion nicht aus. Pilze siedeln nesterweise und werden manchmal mit dem Abstrich nicht getroffen. Einzelne Sproßzellen können dem Auge entgehen.2 Für diese Fälle wird die aufwendigere, aber empfindlichere Kultur empfohlen.2,3 Patientinnen mit Symptomen sind auch bei wenigen isolierten Hefekolonien zu behandeln, beschwerdefreie Frauen bei spärlichem Pilzwachstum dagegen nicht.1 Als Differentialdiagnosen kommen die ebenfalls im Frischpräparat leicht nachzuweisende Trichomonadenkolpitis bzw. bakterielle Vaginitis (Schlüsselzellen; a-t 8 [1994], 72) in Betracht.2

BEHANDLUNG: Die Soorkolpitis soll örtlich behandelt werden (a-t 10 [1991], 88). Topische Imidazol-Antimykotika wie das seit Jahren bekannte Clotrimazol (GYNO CANESTEN u.a.) erzielen Heilungsraten zwischen 85% und 90%.3 Relevante Unterschiede zwischen den einzelnen Azol-Abkömmlingen und den verschiedenen Zubereitungen (Vaginaltabletten, Ovula, Zäpfchen, Tampons, Cremes) scheint es nicht zu geben.4 Die Auswahl orientiert sich am Erprobungsgrad und an den Kosten (s. Kasten). Alternativ zu Imidazol-Antimykotika wird das gut verträgliche, etwas weniger zuverlässige örtliche Nystatin (MORONAL u.a.) empfohlen (Heilungsraten 75% bis 80% 3).

Die Therapie mit Antimykotika vom Clotrimazoltyp erstreckt sich normalerweise über fünf bis sieben Tage. Kurzzeitregime mit höherer Dosierung (drei Tage, Einmaldosisbehandlung) bleiben Frauen mit erstmaligem oder seltenem Befall bei milder und mäßiger Ausprägung vorbehalten.1,3 Schwere oder länger anhaltende Erkrankungen können längere Behandlung erfordern.4 Nystatin muß über 10 bis 14 Tage1 angewendet werden.

Nicht selten verursachen topische Imidazol-Abkömmlinge Brennen der Scheide und Vulva als Folge einer Hautreizung oder allergischen Kontaktdermatitis. Ernsthafte systemische Unverträglichkeiten sind nach heutigem Kenntnisstand bei den verfügbaren Derivaten nicht zu befürchten.4 Nachdem in Verbindung mit örtlichem Terconazol (TERCOSPOR) ein grippeähnliches Syndrom mit Fieber und Schüttelfrost bekannt wurde, ruht die Zulassung der hochdosierten 160-mg-Vaginalovula (a-t 11 [1988], 99). 1993 nahm Hersteller Cilag wegen mangelnder Nachfrage auch die Vaginalcreme vom Markt.5

Systemische Azol-Antimykotika wie Fluconazol (FUNGATA, a-t 10 [1990], 86) beseitigen den Hefebefall der Scheide vergleichbar gut wie topische. Die meisten Frauen ziehen nach übereinstimmendem Ergebnis mehrerer Studien die Einnahme per os vor. Der Vorteil der einfacheren Anwendung und besseren Compliance ist gegen systemische Störeffekte abzuwägen. Gefürchtet sind vor allem Leberschäden: Ketoconazol (NIZORAL) wirkt bei einer von 10.000 bis 15.000 behandelten Frauen hepatotoxisch.3 Tödliches Organversagen kommt vor. Auch Fluconazol und Itraconazol (SEMPERA, SIROS) schädigen die Leber, wenngleich vielleicht seltener als Ketoconazol.3 Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat nur Fluconazol für die Indikation Soorkolpitis zugelassen.6

In der Schwangerschaft heilt die Vaginalcandidose verzögert, Rückfälle sind häufiger.3 Die Infektion soll daher ausreichend lange über ein bis zwei Wochen behandelt werden. Schwangere erhalten topische Antimykotika. Im ersten Trimenon ist Vorsicht geboten mit Azolen. Viele Ärzte bevorzugen in dieser Zeit topisches Nystatin4 oder schieben die Behandlung auf.3

CHRONISCH REZIDIVIERENDE VULVOVAGINALE CANDIDOSE: Vor Beginn der unter Umständen langwierigen Therapie ist die Diagnose durch Kultur zu sichern. Nach begünstigenden Faktoren ist zu fahnden. Kortikosteroide und Östrogene möglichst absetzen! Ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus begünstigt Therapieversager. Glukosetoleranz-Tests zur Diagnose eines latenten Diabetes bringen bei sonst gesunden Frauen vor der Menopause wenig. Patientinnen aus Risikogruppen sollen auf HIV getestet werden.3

Ob die Besiedlung der Magen-Darm-Schleimhaut mit Candida Scheidensoor fördert, ist umstritten. In kontrollierten Studien schützt Nystatin-Einnahme nicht vor symptomatischen Rückfällen. Ungeklärt ist die Rolle der sexuellen Übertragung. Behandlung des männlichen Partners verhindert Rezidive bei der Frau offenbar nicht.1,3

Frauen mit hartnäckig wiederkehrenden Pilzinfektionen der Scheide hilft eine längerfristige intermittierende Prophylaxe mit örtlich anzuwendenden oder systemischen Antimykotika. Einmal wöchentlich 500 mg Clotrimazol lokal oder 100 mg Fluconazol per os können den Ausbruch einer Entzündung unterdrücken.4 Monatliche Intervalle reichen für eine wirksame Prophylaxe nicht immer aus.3 Häufig kehrt nach einer drei- bis sechsmonatigen Behandlung das frühere Rückfallmuster nicht wieder.1

Vor Feuchtigkeitsstau schützt Baumwollunterwäsche und luftige Kleidung. Manche Frauen erzielen Besserung mit intravaginal angewendetem Joghurt oder einer Diät1, z.B. zuckerfreier Kost. Eine systematische Überprüfung der Methoden in ausreichend großen Studien fehlt.1,3

Selten verursachen therapieresistente Hefen eine rezidivierende Candidose. Arzneimittelresistenz kommt in Betracht, wenn in der Kultur andere als C.-albicans- Stämme wachsen. Patientinnen mit Azol-resistenten C.-glabrata-Keimen profitieren manchmal von Nystatin oder topischer Borsäure.1

FAZIT: Die vulvovaginale Candidose zählt zu den häufigsten Infektionen des weiblichen Genitale. Örtliche Behandlung mit Imidazol- Abkömmlingen wie Clotrimazol (GYNO CANESTEN u.a.) oder mit Nystatin (MORONAL u.a.) reicht im allgemeinen aus. Manche Frauen leiden unter schwer zu behandelndem hartnäckig wiederkehrenden Scheidensoor. Für diese Patientinnen wird eine mehrmonatige intermittierende Prophylaxe z.B. mit wöchentlich 500 mg Clotrimazol oder 100 mg Fluconazol (FUNGATA) empfohlen.

*

Seit Juli 1994 gibt es intravaginal anzuwendende Clotrimazol-Präparate rezeptfrei, die bis zu 600 mg Wirkstoff enthalten für eine Therapiedauer bis zu drei Tagen.


© 1995 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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