Inhalatives Stickstoffmonoxid (NO) verspricht bei der akuten Schocklunge beatmeter Patienten (Acute Respiratory
Distress Syndrome, ARDS) Erfolg, wenn etablierte Maßnahmen versagen. Wegen unzureichender Daten zur Sicherheit,
Schadwirkungen wie Lungenödem und Hemmung der Thrombozytenaggregation sowie nicht-standardisierter Dosierung warnten wir in a-t 11 (1996), 106 vor dem Gebrauch des Gases außerhalb klinischer Studien. Zudem besteht Verdacht auf
erbgutschädigende Wirkung von NO.1 Die Behandlung zieht die Bildung von NO2 nach sich mit Gefahr akut toxischer Folgen (z.B. erosive
Schäden, weil bei Reaktion von NO2 mit H2O Salpetersäure entsteht).
Jetzt berichten Innsbrucker Internisten über lebensbedrohliche Blutungen. Bei einer 37jährigen Frau mit Pneumocystis-carinii-Pneumonie und ARDS stellen
sie zwölf Stunden nach Beginn der Inhalation von NO (10 ppm) einen Pneumothorax fest, weitere zwölf Stunden später werden 1,2 Liter
blutige Flüssigkeit drainiert. Trotz Plättchenzahlen zwischen 50.000 und 70.000/µl und normalen Gerinnungswerten erfordern anhaltende
Pleurablutungen während der fünftägigen Anwendung von NO Transfusionen. Eine 59jährige Frau mit akuter myeloischer Leukämie,
Sepsis und ARDS erhält 15 ppm NO. Die Blutplättchenzahl wird durch Substitution über 20.000/µl gehalten. Zwei Tage später verstirbt
die Patientin an intrakranieller Blutung.2
Die Anwendung von NO erfolgt zwischenzeitlich in zahlreichen Kliniken ohne Zulassung für den medizinischen Gebrauch "zur Abwehr einer
Lebensbedrohung oder schweren Gesundheitsstörung", für die keine anderen erfolgversprechenden zugelassenen Arzneimittel zur Verfügung
stehen.2 Hersteller vermarkten das Gas (z.B. PULMOMIX FORTE [Österreich]) unkontrolliert über Klinikanforderung und Rezept (ca. 4.000 DM
pro 10-l-Flasche). Messer-Griesheim (Österreich) läßt sich dabei bestätigen, daß "diese Arzneispezialität ... nur für
therapeutische Zwecke und nicht im Rahmen einer klinischen Prüfung ... zum Einsatz" kommt.3 Unter diesen Bedingungen ist nicht nur der
wissenschaftliche Gewinn praktisch gleich Null, da die bei klinischen Prüfungen vorgegebene systematische Auswertung von Nutzen und Risiken unterbleibt.
Auch Vorschriften des Arzneimittelgesetzes und Vorsorgemaßnahmen für den Patientenschutz werden ausgehebelt
- Ethikkommissionen bleiben außen vor.
- Die notwendige und obligatorische Einwilligung des Patienten bzw. seiner Angehörigen in den Therapieversuch ist nicht garantiert.
- Die Patienten sind nicht durch die für klinische Studien obligate Patientenversicherung abgesichert.
- Der Hersteller entzieht sich der Verantwortung zu Lasten der anwendenden Ärzte bzw. der Klinikleitung, die im Schadensfall voll haftbar sind.
FAZIT: Die regelmäßige Anwendung eines nicht zugelassenen Arzneimittels als Therapieversuch außerhalb klinischer Studien unterläuft
die Paragraphen 40/41 des deutschen Arzneimittelgesetzes. Kommt es zu Komplikationen - wie im Fall der inhalativen Anwendung des nicht zugelassenen
Stickoxids zu lebensbedrohlichen bzw. tödlichen Blutungen -, haften die anwendenden Ärzte bzw. Krankenhausträger. Die Hersteller entziehen sich
der Haftung durch Vertragsklauseln. Im Gegensatz zur klinischen Prüfung fehlt die vorgeschriebene Versicherung der Patienten.
1 | Schwedische Richtlinien zum Gebrauch von NO vom 25. April 1995 |
2 | JOANNIDIS, M. et al.: Lancet 348 (1996), 1448 |
3 | MESSER-GRIESHEIM: Vordruck "Anforderung einer nicht zugelassenen
Arzneispezialität" |
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