Obwohl häufig verwendet, ist der klinische Nutzen von Heparinen zur Thromboembolieprophylaxe im nicht-chirurgischen Bereich nur für
wenige Indikationen nachgewiesen (a-t 12 [1997], 122). Beim akuten Herzinfarkt senkt Low-dose-Standardheparin
(LIQUEMIN N u.a.) die Rate tiefer Venenthrombosen von etwa 25% auf 10% (Number Needed to Treat [NNT] = 7; a-t 5
[1998], 47), beim ischämischen Hirninsult mit Plegie von 60% auf 25% (NNT = 3).1,2 Im Trend nehmen beim Hirninsult auch Lungenembolien und
Sterblichkeit ab.3 Fraktionierte (niedermolekulare) Heparine sind bei diesen Indikationen nicht zur Thromboembolieprophylaxe untersucht oder nicht
wirksamer als Standardheparin und nicht zugelassen.
Bei anderen inneren Erkrankungen wie Atemwegs- oder Harnwegsinfektionen, Sepsis oder Tumorleiden verhindern niedermolekulare und Standard-Heparine in zwei
Studien mit 2.500 und 12.000 Patienten thromboembolische Komplikationen nicht besser als Plazebo.4,5 In direkten Vergleichen lassen sich zwischen den
verschiedenen Heparinen keine Wirksamkeitsunterschiede erkennen.6-8
In einer multizentrischen Studie wird jetzt der Nutzen von täglich 20 mg oder 40 mg Enoxaparin (CLEXANE) bei Patienten geprüft, die wegen "akuter
medizinischer Erkrankungen" stationär aufgenommen werden, aber nicht länger als drei Tage bettlägerig sind. Die höhere Enoxaparin-
Dosis senkt die Rate tiefer Venenthrombosen innerhalb von zwei Wochen von 15% auf 5,5% (NNT=10). Täglich 20 mg bleiben ohne Effekt.9
Werden Heparine bei inneren Erkrankungen somit bisher zu niedrig dosiert? Leider gibt die Studie keine valide Antwort. Sie hat erhebliche methodische
Mängel. In den 60 (!) Zentren werden innerhalb von zwei Jahren mit 1.100 erstaunlich wenige Patienten aufgenommen. Einschlussgründe sind bei 90%
schwere Herzinsuffizienz (NYHA III oder IV) oder akute Verschlechterungen chronischer Lungenerkrankungen. Die Ergebnisse lassen sich daher nicht ohne
Weiteres auf "akut medizinisch Kranke" übertragen. Das Randomisierungsverfahren ist nicht näher beschrieben. In der Enoxaparin-Gruppe
besteht ein auffälliger Trend zu häufigeren Risikofaktoren für Thrombosen. 20% der Patienten bleiben in der Auswertung unberücksichtigt. Bei
15% fehlen die Daten aus nicht nachvollziehbaren Gründen. Nimmt man an, dass alle Studienabbrecher unter Enoxaparin eine Thrombose erlitten hätten
("worst case scenario"), wäre der Wirksamkeitsnachweis in der vom Hersteller finanzierten Studie missglückt.
Bei genauer Betrachtung relativiert sich auch die Relevanz der Ergebnisse. Die Rate proximaler Venenthrombosen wird von 5% auf 2% gesenkt (NNT=33).
Verhindert werden also hauptsächlich die klinisch meist nicht relevanten distalen Thrombosen. Auch die proximal lokalisierten Thrombosen gehen in weniger als
1% mit Symptomen einher. Zur Diagnose dient systematisches Screening. Die klinische Bedeutung asymptomatischer proximaler Venenthrombosen ist aber strittig.
Lungenembolien oder Todesfälle treten weder in der Prüfphase (2 Wochen) noch in der Nachbeobachtungszeit (bis 16 Wochen) in der Enoxaparin-
Gruppe seltener auf als unter Scheinmedikament.
Blutungen kommen unter dem Heparin um 3% bis 4% häufiger vor als in der Kontrollgruppe. Für Thrombopenien wird aus unklaren Gründen in der
Plazebogruppe eine Häufung gefunden (schwerere Grunderkrankungen?).
FAZIT: Patienten mit akuter Dekompensation einer schweren Herzinsuffizienz oder chronischen Lungenerkrankung könnten in geringem Maß durch
höher dosierte niedermolekulare Heparine vor asymptomatischen proximalen Venenthrombosen geschützt werden. Die Relevanz dieses Therapieeffekts
bleibt offen. Eine klare Indikation für die Heparinisierung bei inneren Erkrankungen besteht nach wie vor nur nach akutem Herzinfarkt oder Hirninsult mit
Plegie.
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