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Korrespondenz

GYNATREN GEGEN REZIDIVIERENDE SCHEIDENENTZÜNDUNG?

In letzter Zeit wird das Präparat GYNATREN zur angeblichen Immunisierung bei rezidivierenden Kolpitiden stark beworben. Der vorgebliche Wirkmechanismus, Immunisierung gegen pathogene Laktobazillen, scheint mir nicht einleuchtend, da ja in der Regel Pilze oder Bakterien die Ursache der Kolpitiden sind. Gibt es Nachweise, dass GYNATREN wirksam ist?

Dr. med. V. ACKEMANN
D-50674 Köln

Bei der bakteriellen Scheidenentzündung, einem häufigen Krankheitsbild in der gynäkologischen Praxis, verdrängen Anaerobier und Gardnerella vaginalis die in der Vaginalflora normalerweise vorherrschenden Milchsäurebakterien. Mit oralem oder vaginalem Metronidazol (ARILIN u.a.) lassen sich die Beschwerden zuverlässig beseitigen. Die Rezidivraten betragen jedoch 25% bis 30% (vgl. a-t 1994; Nr. 8: 72 -3).

GYNATREN enthält inaktivierte Keime von acht Milchsäurebakterien-Stämmen, die kein Wasserstoffperoxid produzieren. Die intramuskuläre "Impfung" mit dem Laktobazillus-Gemisch soll die Bildung spezifischer Antikörper gegen diese vom Hersteller als "aberrierend" bezeichneten Milchsäurebakterien induzieren, damit der Körper diese eliminiert und sich die "guten" Milchsäurebakterien vermehren können. Dies soll die Vaginalflora langfristig normalisieren.1 In der Literatur findet sich allerdings kein Anhalt für das behauptete Vorherrschen "aberrierender Laktobazillen" bei bakterieller Vaginose. Im Gegenteil: In einer Untersuchung mit 302 Frauen lässt sich je einer der in GYNATREN enthaltenen Stämme bei gerade mal zwei - gesunden - Frauen nachweisen.2

Die veröffentlichten Studien können wegen methodischer Mängel unseres Erachtens nicht als Nutzenbeleg dienen (Ausgangscharakteristika und Diagnosekriterien unklar, fehlende Fallzahlplanung, hohe Abbrecherquote u.a.).

Über eine Kreuzreaktion soll GYNATREN zudem Trichomonaden eliminieren. Die angebliche Antigenverwandtschaft zwischen "aberranten Laktobazillen" und Trichomonaden1 lässt sich in einer älteren Untersuchung trotz Anwendung verschiedener immunologischer Techniken jedoch nicht nachweisen.3 Für die auch bei Candidiasis propagierte Wirkung4,5 fehlen Belege und die Zulassung.

Da Bakterienteile unspezifische Fremdeiweiß-Reaktionen auslösen können, ist neben Beschwerden an der Injektionsstelle mit Fieber und Kopfschmerzen zu rechnen. Ausgeprägte Lokalreaktionen wenige Stunden nach Impfung kommen vor (siehe Seite 15).

FAZIT: Methodisch akzeptable Studien, die einen Nutzen der als Impfstoff bezeichneten Laktobazillus-Mischung GYNATREN (100 DM/"Grundimmunisierung") belegen, finden wir nicht. Wir raten daher von der Anwendung ab.

© 2001 arznei-telegramm

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