Seit März bietet Bayer Vital "im Auftrag von Almirall" (Spanien) das von Aventis (Frankreich) hergestellte gering sedierende
Antiallergikum Ebastin (EBASTEL) an. Die Werbung verspricht "mehr Freiheit" und "gute Verträglichkeit - Sedierung auf Plazebo-
Niveau"1 bei der symptomatischen Behandlung der saisonalen und perennialen Rhinitis sowie von Juckreiz und Quaddelbildung bei unklarer
Urtikaria.2
EIGENSCHAFTEN: Ebastin ist chemisch eine Variante von Terfenadin (siehe Abbildung). Beide Stoffe sind potenziell kardiotoxisch. Als
Prodrugs werden sie nach der Absorption in einen das Herz weniger beeinflussenden antiallergisch wirksamen Metaboliten umgewandelt (Terfenadinsäure [=
Fexofenadin; TELFAST] bzw. die Carebastin genannte Ebastinsäure). Die Verstoffwechselung ist Zytochrom-P450-3A4-abhängig und kann durch CYP-
3A4-Hemmer behindert werden. Die kardiotoxische Muttersubstanz reichert sich dann an.3 Die Halbwertszeit von Carebastin beträgt 15 bis 19
Stunden. Zwei Drittel einer Dosis werden als konjugierte Metaboliten im Urin ausgeschieden.2
WIRKSAMKEIT: Täglich 10 mg Ebastin wirken bei saisonaler allergischer Rhinitis wie die ebenfalls gering sedierenderen Antihistaminika
Cetirizin (ZYRTEC u.a.), Loratadin (LISINO u.a.) und Terfenadin (TERFENADIN STADA u.a.),4 das allerdings wegen kardiotoxischer Effekte nicht mehr
verwendet werden sollte (a-t 1997; Nr. 12: 122-3). Bei starker Symptomatik scheinen 20 mg Ebastin der 10-mg-Dosis
überlegen zu sein. Im Vergleich mit 10 mg Cetirizin pro Tag bessern täglich 20 mg Ebastin die Gesamtheit morgendlicher und abendlicher Symptome
jedoch nur anfangs deutlicher. Nach zwei Wochen besteht kein Unterschied mehr.5
Bei perennialer allergischer Rhinitis reduzieren in einer vom Cetirizin-Hersteller UCB gesponserten Studie 10 mg Ebastin pro Tag nasale Symptome
(verstopfte Nase, Nasenschleimabsonderung, Niesen, Juckreiz) in der ersten Woche weniger effektiv als täglich 10 mg Cetirizin. Nach vierwöchiger
Einnahme sind unter Ebastin signifikant weniger Patienten symptomfrei.6
Bei chronischer Urtikaria wirken täglich 10 mg Ebastin im dreimonatigen Vergleich wie zweimal täglich 60 mg Terfenadin.7
STÖRWIRKUNGEN: Unerwünschte Effekte entsprechen denen anderer gering sedierender Antihistaminika: Kopfschmerzen (6% bis 13%),
Müdigkeit (1% bis 9%), Schlafstörungen (unter 5%) und Mundtrockenheit (4% bis 7%).4 In der Literatur beschriebene Störeffekte wie
Veränderung des Appetits, Pruritus,4 Harnverhaltung,8 Hitzewallungen, Asthmaanfall,5 Schwindel und Erbrechen7 werden
in der Fachinformation nicht genannt.
Aus gepoolten Studiendaten9 und der Erprobung an gesunden Probanden mit Hochdosierungen bis 100 mg Ebastin pro Tag10 wird auf ein geringeres
kardiotoxisches Potenzial von Ebastin als von Terfenadin oder Astemizol (nicht mehr im Handel; a-t 1997; Nr. 1:
16) geschlossen. Angeblich bleibt unter 10 mg oder 20 mg Ebastin ein Effekt auf die QTc-Zeit aus.9 Verlängerung dieses EKG-Parameters gilt als
Hinweis auf Gefährdung durch Herzrhythmusstörungen einschließlich Torsade de pointes. Im Tierexperiment verlängert Ebastin jedoch die
QTc-Zeit wie Astemizol oder Terfenadin ausgeprägt und dosisabhängig.3 Der Anbieter warnt vor der Verwendung von Ebastin bei Patienten mit
bekannter Verlängerung des QTc-Intervalls oder Hypokaliämie sowie vor gleichzeitiger Einnahme von Arzneimitteln, die das QTc-Intervall verlängern
oder Zytochrom P450-3A4 hemmen wie Azolantimykotika und Makrolidantibiotika.1
DOSIS UND KOSTEN: Ebastin (EBASTEL) wird mit 5,67 €/Woche bei 10 mg/Tag auf dem Preisniveau des Cetirizin-Originals ZYRTEC (5,90
€/Woche bei 10 mg/Tag) eingeführt, verteuert jedoch die Therapie im Vergleich zu Cetirizin-Nachfolgeprodukten wie CETIRIZIN-RATIOPHARM (2,31
€/Woche) in Deutschland auf das Zweieinhalbfache. Muss die Ebastin-Dosis bei ausgeprägtem Heuschnupfen verdoppelt werden, verfünffachen
sich die Behandlungskosten. In Österreich ist Ebastin zugelassen, aber noch nicht im Handel.
Ebastin (EBASTEL) wirkt etwa wie die gering sedierenden
Antihistaminika Cetirizin (ZYRTEC u.a.) und Loratadin (LISINO u.a.). Die Notwendigkeit der (teuren) Verdoppelung der Ebastin-Dosis bei starken Symptomen
erachten wir als Nachteil.
Kardiotoxizität, insbesondere bei Behinderung der Verstoffwechselung
durch Komedikation oder Begleiterkrankung, ist nicht auszuschließen.
Wir bewerten Ebastin als bedenkliche Pseudoinnovation. Cetirizin oder
Loratadin bleiben Mittel der Wahl. Diese sind zudem preiswert als Generika erhältlich.
|