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Warnhinweis

NOCHMALS: TERFENADIN (TELDANE U.A.)
UND ASTEMIZOL (HISMANAL) HERZTOXISCH
... Warum die Marktrücknahme überfällig ist

Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA will das hierzulande rezeptfrei erhältliche Terfenadin (TELDANE u.a.) vom Markt nehmen.1 Das relativ gering sedierende Antiallergikum kann bei Lebererkrankungen oder bei gleichzeitiger Einnahme von Makrolidantibiotika wie Erythromycin (ERYCINUM u.a.) oder Azolantimykotika wie Ketoconazol (NIZORAL) lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen auslösen (a-t 11 [1991], 106; 6 [1996], 60). Selbst Grapefruitsaft erhöht die Plasmaspiegel und verlängert die QT-Zeit.2 Die Häufigkeit eines QT-Syndroms unter den Patienten eines Universitätsklinikums liegt bei 2%.3 Wird Terfenadin bei bereits bestehender QT-Zeit-Verlängerung (idiopathisch, durch Medikamente, Elektrolytstörungen u.a.) eingenommen, steigt die Gefahr chaotischer Kammertachykardien (Torsade de pointes). Gleiches gilt für das ebenfalls nicht verschreibungspflichtige Astemizol (HISMANAL; a-t 9 [1992], 94; 11 [1992], 116), das wegen der langen Halbwertszeit von bis zu zwei Wochen gefährlich kumulieren kann.

NETZWERK-ERFAHRUNGEN: Der Chefarzt einer kardiologischen Abteilung berichtet über eine Patientin mit Herz-Kreislauf-Stillstand durch Torsade de pointes unter Terfenadin (Bericht 8508). Nach Einnahme von zwei TELDANE FORTE Tabletten verspürt eine 21jährige aus völligem Wohlbefinden heraus Herzrasen und Kollapssymptomatik. Die Patientin legt sich zu Bett und wird sechs Stunden später tot aufgefunden. Die Autopsie ergibt Verdacht auf Myokarditis (5558). Ein Allgemeinmediziner aus Bayern berichtet über lebensbedrohliches rezidivierendes Kammerflattern mit Synkopen bei einem 57jährigen Mann, der TELDANE eine Woche lang gegen Pruritus einnimmt (3682). Eine junge Frau erleidet unter Einnahme von Astemizol Herzrhythmusstörungen und Kammerflimmern. Nach später Reanimation liegt sie drei Monate im Koma und verstirbt schließlich (8786). Drei Berichte in Verbindung mit Astemizol beschreiben Tachykardie/Tachyarrhythmie (2562, 4222, 5112).

Wegen des Potentials lebensbedrohlicher Störwirkungen fordern wir seit Jahren für beide Antiallergika die Rezeptpflicht. Diese reicht jedoch nicht: Trotz deutlicher Hinweise auf Kontraindikationen, Warnung vor Wechselwirkungen und "Dear-Doctor"-Briefen nahm in den USA die Komedikation des dort verschreibungspflichtigen Terfenadin mit Makrolidantibiotika und anderen bedenklichen Kombinationspartnern sogar zu.1,4,5

Seit Sommer 1996 ist in den USA Fexofenadin erhältlich. Diesem Metaboliten (Terfenadincarboxylat) des Terfenadin soll die Herzschädlichkeit fehlen, so dass die FDA die Muttersubstanz jetzt nicht mehr als "sicher" einstuft. Hoechst Marion Roussel, Anbieter beider Antiallergika, will Terfenadin auf dem Markt halten,6 obwohl die Entscheidung dem Konzern in das Konzept geplanter Veraltung passen dürfte. Über Jahre versuchte Hoechst, Nachfolgeanbietern die Vermarktung von Terfenadin gerichtlich zu untersagen, da bei Verstoffwechselung in der Leber als wirksames Prinzip patentgeschütztes Fexofenadin entsteht (Patentbruch in vivo).7

Mit der Markteinführung von Fexofenadin (TELFAST) ist in Deutschland erst in einem Jahr zu rechnen.6 Ob das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte deshalb entgegen der gesetzlichen Pflicht zur Risikominderung abwartet, bis es wirksame Maßnahmen für Terfenadin ergreift? Und unterbleiben hierzulande wie in den USA Maßnahmen für das ebenfalls auffällig kardiotoxische Astemizol, weil die Firma keine Alternative aus der Forschungspipeline anbieten kann? Überwachungsbehörden scheinen immer offensichtlicher Firmeninteressen Vorrang vor Verbraucherschutz zu geben.

FAZIT: Die beiden in Deutschland rezeptfrei erhältlichen Antiallergika Astemizol (HISMANAL) und Terfenadin (TELDANE und rund 20 Nachfolgepräparate) gehören unverzüglich vom Markt. Rezeptpflicht, Warnhinweise und "Dear-Doctor"-Briefe konnten in den USA den potentiell tödlichen Fehlgebrauch der kardiotoxischen Präparate nicht eindämmen. Somit eignen sich die Antiallergika erst recht nicht zur Selbstmedikation. Die Hoechst-Argumentation "sicher" ... "bei bestimmungsgemäßem Gebrauch"6 geht bewusst am Problem vorbei. Maßnahmen dürfen nicht erst dann ergriffen werden, wenn die betroffenen Hersteller Ersatz anbieten können. Die ebenfalls nur gering sedierenden neueren Antiallergika Cetirizin (ZYRTEC) und Loratadin (LISINO) scheinen besser herzverträglich zu sein (a-t 7 [1996], 70), sind jedoch - wie auch das als Schlafmittel verwendete Antihistaminikum Diphenhydramin (DOLESTAN u.a.)4 - nicht frei von kardiotoxischen Einflüssen. Gegen Pruritus bei Hauterkrankungen bleiben die konventionellen sedierenden Antihistaminika Mittel der Wahl.


© 1997 arznei-telegramm

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