Seit März wird der Östrogenrezeptorantagonist Fulvestrant (FASLODEX) zur Behandlung des fortgeschrittenen Brustkrebses bei Frauen nach
den Wechseljahren angeboten. Mittel der ersten Wahl ("first line") zur hormonellen Therapie dieser Patientinnen ist u.E. nach wie vor das
Antiöstrogen Tamoxifen (NOLVADEX u.a.; siehe Kasten).
EIGENSCHAFTEN: Fulvestrant leitet sich chemisch vom Estradiol ab. Es bindet mit ähnlicher Affinität wie Estradiol an
Östrogenrezeptoren, hemmt die Bindung von Östrogenen und führt zur "Downregulierung" der Rezeptoren.1,2 Fulvestrant soll im
Unterschied zu Tamoxifen ein reiner Östrogenantagonist sein. Agonistische Effekte sind bisher nicht bekannt.2
Fulvestrant muss einmal monatlich intramuskulär gespritzt werden. Ein konstanter Serumspiegel ist nach etwa sechs Dosierungen erreicht.3 Das Mittel
wird hauptsächlich über die Leber ausgeschieden.
KLINISCHE STUDIEN: Die beiden zulassungsrelevanten Phase-III-Studien mit insgesamt 851 Frauen prüfen Fulvestrant als zweiten
Behandlungsschritt ("second line") bei lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs im Vergleich mit dem Aromatasehemmer Anastrozol
(ARIMIDEX).4,5 Die Studien sind gleichartig angelegt, aber nur eine ist verblindet.5 Die durchschnittlich 63 Jahre alten Frauen haben zuvor meist
Tamoxifen eingenommen. Knapp die Hälfte hat Tamoxifen anscheinend ausschließlich zur adjuvanten* Therapie angewendet. Bei etwa 80% dieser Frauen
lag der Abschluss dieser Therapie aber nicht länger als ein Jahr zurück.4,5
Die Patientinnen nehmen täglich 1 mg Anastrozol ein oder erhalten monatlich 250 mg Fulvestrant i.m. Primärer Endpunkt ist die Zeit bis zum Fortschreiten
des Brustkrebses. Das Studienziel, Überlegenheit von Fulvestrant nachzuweisen, wird verfehlt. Die mediane Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung
beträgt in einer Studie unter der Neuerung 5,5 und unter dem Aromatasehemmer 5,1 Monate (relatives Risiko [RR] 0,98; 95% Konfidenzintervall [CI] 0,80 bis
1,21),4 in der anderen Studie 5,4 versus 3,4 Monate (RR 0,92; 95% CI 0,74 bis 1,14).5 Nachträglich werden in beiden Studien
Nichtunterlegenheitsanalysen vorgenommen, nach denen Fulvestrant nicht schlechter wirken soll als Anastrozol.4,5 Die amerikanische Arzneimittelbehörde
FDA hat das Vorgehen zwar akzeptiert,6 uns erscheint es dennoch methodisch fragwürdig. Nach 15 Monaten sind unter Fulvestrant insgesamt 36%,
unter Anastrozol 35% der Frauen verstorben.7
Eine weitere Studie mit 587 Frauen prüft Fulvestrant als primäres Mittel bei fortgeschrittenem Brustkrebs im Vergleich mit Tamoxifen. Die Frauen haben
bisher keine endokrine Behandlung erhalten oder ausschließlich eine mehr als zwölf Monate zurückliegende adjuvante Therapie mit
Tamoxifen.6 In dieser bislang nicht vollständig veröffentlichten Studie (s. auch a-t 2004; 35: 29-30)
bleibt Fulvestrant hinsichtlich der Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung (206 vs. 252 Tage; RR 1,18; 95% CI 0,98 bis 1,44) dem Tamoxifen unterlegen. In
sekundären Endpunkten ergeben sich signifikante Unterschiede zugunsten von Tamoxifen.6,8
Vor diesem Hintergrund erscheint es uns bedenklich, dass nach europäischem Zulassungstext3 Fulvestrant bei Frauen mit Rezidiv nach adjuvanter
antiöstrogener Therapie ohne zeitliche Einschränkungen zugelassen ist, obgleich es bei länger als ein Jahr zurückliegender adjuvanter
Vorbehandlung schlechter abschneidet als Tamoxifen.
STÖRWIRKUNGEN: Spektrum und Häufigkeit unerwünschter Wirkungen ähneln denen von Anastrozol, mit Magen-Darm-
Störungen (52%) einschließlich Erbrechen (26%), Schwäche (23%), Hitzewallungen (18%), Knochen- und Rückenschmerzen (16% und 14%)
sowie Kopfschmerzen (15%). 7% der Frauen klagen über Reaktionen an der Injektionsstelle.2 In den Zulassungsstudien sind Gelenkbeschwerden bei
5,4% und thromboembolische Ereignisse bei 3,5% der Frauen beschrieben.7 Die deutsche Fachinformation3 gibt den Kenntnisstand zu den
Schadeffekten nur bruchstückhaft wieder.
KOSTEN: Fulvestrant (FASLODEX) verteuert die endokrine Therapie des fortgeschrittenen Brustkrebses mit 529 € für einmal monatlich 250 mg
gegenüber dem Aromatasehemmer Anastrozol (ARIMIDEX; monatlich 168 € für täglich 1 mg) auf das Dreifache. Fulvestrant kostet mehr als das
70fache eines preisgünstigen Tamoxifen-Generikums (TAMOXIFEN BETA, monatlich 7 € für täglich 20 mg).
Der neue, nur zur i.m.-Injektion erhältliche Östrogenrezeptorantagonist Fulvestrant (FASLODEX) bietet als zweiter Behandlungsschritt
("second line") in der hormonellen Therapie des fortgeschrittenen Brustkrebses bei Frauen nach den Wechseljahren keinen Vorteil gegenüber dem
Aromatasehemmer Anastrozol (ARIMIDEX). Die behauptete Gleichwertigkeit mit Anastrozol beruht auf nachträglichen und daher mit Vorsicht zu
interpretierenden Analysen.
Als erster Behandlungsschritt bei fortgeschrittenem Brustkrebs schneidet Fulvestrant nach Daten, die bislang nur der FDA eingereicht wurden, sogar schlechter ab
als das Standardmittel Tamoxifen (NOLVADEX u.a.).
Das Nebenwirkungsprofil ähnelt dem von Anastrozol mit häufigen Magen-Darm-Störungen, Hitzewallungen und Kopfschmerzen. Hinzu kommen
Reaktionen an der Injektionsstelle.
Wir sehen für den teuren Östrogenantagonisten eine Indikation allenfalls als Mittel der letzten Reserve, wenn Tamoxifen und Aromatasehemmer nicht
angewendet werden können.
|