Betablocker gelten als Wirkstoffe mit gut belegtem Nutzen bei der Behandlung der arteriellen Hypertonie. Häufig wird von einem Klasseneffekt und
somit vergleichbarer Wirksamkeit beispielsweise kardioselektiver Substanzen wie Atenolol (TENORMIN u.a.) und Metoprolol (BELOC u.a.) ausgegangen.
Betablocker werden oft mit Diuretika auf eine Stufe gestellt (a-t 1998; Nr. 6: 54-8), da die beiden Wirkstoffklassen in
einer älteren wegweisenden Hochdruckstudie1 gemeinsam geprüft und in der Folge mehrfach gemeinsam als "konventionelle"
Buthochdruckmittel gegen neue Antihypertensiva getestet wurden.2-5 Wiederholt sind jedoch Zweifel an der Wirksamkeit des hydrophilen Atenolol im
Vergleich zu anderen Betablockern geäußert worden, so etwa nach der Publikation der LIFE*-Studie, in der der Angiotensin-II-Blocker Losartan
(LORZAAR) mit Atenolol verglichen wurde (vgl. a-t 2002; 33: 35-6).6
Eine schwedische Arbeitsgruppe, darunter ein Mitautor der LIFE-Studie sowie mehrere mit finanziellen Verbindungen zum BELOC-Hersteller AstraZeneca, wertet jetzt
in einer Metaanalyse den Nutzen von Atenolol im Vergleich zu Plazebo und anderen Blutdrucksenkern aus.7 Vier Studien mit insgesamt 6.825 Patienten, in
denen Atenolol 2,6 bis 5,8 Jahre lang mit Plazebo oder Nichtbehandlung verglichen wird, lassen keinen Vorteil des Betablockers bei den Endpunkten
Gesamtsterblichkeit, kardiovaskuläre Mortalität und Häufigkeit von Herzinfarkten erkennen (relatives Risiko [RR] 0,99 bis 1,01). Ein günstiger
Trend ergibt sich für die Schlaganfallhäufigkeit (RR 0,85; 95% Konfidenzintervall [CI] 0,72 bis 1,01). Fünf Studien mit 17.671 Patienten und
Beobachtungszeiten von 3 bis 9 Jahren bilden die Grundlage für den Vergleich mit anderen Antihypertensiva. Die Autoren errechnen für Atenolol eine
höhere Mortalität (RR 1,13; 95% CI 1,02 bis 1,25) und häufigere Schlaganfälle (RR 1,30; 95% CI 1,12 bis 1,50). Die Ergebnisse werden wegen
der größten Patientenzahl maßgeblich von der umstrittenen LIFE-Studie beeinflusst. Die gesonderte Auswertung der anderen Arbeiten bestätigt
jedoch den Trend. Eine größere Vergleichsstudie8 mit Diuretika trägt wesentlich hierzu bei.
Zahlreiche Mängel schwächen die Aussagekraft der Metaanalyse: Auswahl, Gewichtung und Beurteilung der Studien sind völlig unzureichend
dokumentiert. Zwei eingeschlossene Studien betreffen die Rezidivprophylaxe nach Schlaganfall oder transitorisch ischämischer Attacke und sind nicht als
Hochdruckstudien angelegt. Auf die unterschiedlichen Beobachtungszeiten wird nicht eingegangen. Zudem wird in allen Analysen die Auswertung nach dem wegen
nachgewiesener Heterogenität der Studien ungeeigneten "fixed effect model" durchgeführt.
Trotz der offensichtlichen Mängel weist die Metaanalyse auf die gegenüber Diuretika schlechtere Beleglage für Atenolol in der Hochdrucktherapie
hin. Schon 1998 lässt eine systematische Übersicht zur Hochdrucktherapie älterer Patienten nur für Diuretika einen durchgängig
günstigen Einfluss auf alle klinischen Endpunkte erkennen, nicht hingegen für Betablocker.9 Die beiden in dieser Analyse ausgewerteten
Betablockerstudien wurden mit Atenolol durchgeführt. Ob andere Betablocker besser zu bewerten sind, lässt sich aus der vorhandenen Datenlage nur
indirekt ableiten.
In eine so genannte "Netzwerk-Metaanalyse", die einen indirekten Vergleich aller Wirkstoffklassen miteinander ermöglichen soll, gehen
Betablockerstudien ein, in denen neben Atenolol auch Metoprolol, Pindolol (VISKEN u.a.) und Propranolol (DOCITON u.a.) verwendet wurden. Demnach verringern
Diuretika kardiovaskuläre Komplikationen besser als Betablocker, die Mortalität unterscheidet sich jedoch nicht. Gegenüber Nichtbehandlung oder
Plazebo errechnen die Autoren für die Gesamtgruppe der Betablocker eine Senkung kardiovaskulärer Komplikationen und der Mortalität.10
Spärliche konkrete Hinweise für Wirksamkeitsunterschiede zwischen einzelnen Betablockern stammen einzig aus der HAPPHY**-Studie, in der die
Betablocker Atenolol, Metoprolol und Propranolol mit hochdosierten Thiaziddiuretika verglichen werden. In einer Subgruppenauswertung steigt die Sterblichkeit unter
Atenolol gegenüber Diuretika numerisch, während sie unter Metoprolol niedriger liegt.11
Als Entscheidungshilfe könnte die Datenlage für Betablocker bei koronarer Herzerkrankung dienen, da die Therapieziele ähnlich sind und sich die
Patientengruppen überlappen.12 Auch bei Langzeitbehandlung der chronischen Angina pectoris ist die Beleglage für Atenolol schwach. Lediglich
zwei kleine Untersuchungen liegen vor; ein Einfluss auf die Sterblichkeit lässt sich damit nicht beweisen. Die beste Datenlage besitzen hier vor allem die
nichtselektiven Betablocker Propranolol und Timolol (als Monopräparat nicht mehr im Handel) sowie das kardioselektive Metoprolol, für die bei
metaanalytischer Auswertung der vorhandenen Daten eine Senkung der Mortalität nachgewiesen wurde. Betablocker mit intrinsischer Aktivität wie
Pindolol sind danach ohne Nutzen.13
Die besten Wirksamkeitsbelege bei Bluthochdruck liegen für Chlortalidon (HYGROTON) und Thiaziddiuretika in niedriger Dosierung vor. Sie sind somit Mittel der
ersten Wahl, sofern nicht bestimmte Begleiterkrankungen eine Differenzialtherapie erfordern. Die Behandlung kann bei unzureichender Blutdrucksenkung z.B. mit
ACE-Hemmern oder Betablockern erweitert werden (a-t 2003; 34: 57-8). Bei der Auswahl des Betablockers ist die
insgesamt bessere Datenlage für Mittel wie Metoprolol zu berücksichtigen.
Daten aus systematischen Auswertungen weisen darauf hin, dass die
Hochdrucktherapie mit dem Betablocker Atenolol (TENORMIN u.a.) schlechter vor kardiovaskulären Komplikationen schützt als mit anderen
Antihypertensiva. Vor allem Diuretika sind überlegen.
Betablocker wie Metoprolol (BELOC u.a.) besitzen möglicherweise Vorteile
gegenüber Atenolol bei allerdings schwer beurteilbarer Datenlage. Aussagekräftige direkte Vergleiche fehlen.
Wir erachten niedrig dosierte Thiazid-Diuretika wie Hydrochlorothiazid (ESIDRIX u.a.)
und Chlortalidon (HYGROTON) als die Hochdruckmittel mit den besten Nutzennachweisen. Bei Wahl eines Betablockers sollten Wirkstoffe mit insgesamt guter
Datenlage wie Metoprolol oder Propranolol (DOCITON u.a.) bevorzugt werden.
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LIFE = Losartan Intervention For Endpoint Reduction in Hypertension Study |
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HAPPHY = Heart Attack Primary Prevention in Hypertension trial |
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