Homozystein - Vitaminkombination erneut ohne Nutzen: Selbst moderat erhöhte Homozysteinspiegel sollen nach epidemiologischen
Studien mit erhöhtem Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen einhergehen. Eine Kombination aus Vitamin B12, B6 sowie Folsäure senkt
Serumhomozystein zwar um 25% bis 30%, Ergebnisse zu klinischen Endpunkten waren bislang jedoch widersprüchlich. Bei Patienten nach koronarer
Angioplastie kommen zwei kleinere Studien zu gegensätzlichen Resultaten. In einer großen Multicenterstudie (VISP*) mit knapp 4.000 Patienten nach
Schlaganfall werden Reinsulte durch die Vitaminkombination nicht verringert (a-t 2002; 33: 95 und a-t 2004; 35: 27-8). Seit März liegen zwei weitere Negativstudien vor. An HOPE 2* nehmen 5.522
Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen oder Diabetes und zusätzlichen Risikofaktoren teil. Die Einnahme von täglich 1 mg Vitamin B12 plus
50 mg Vitamin B6 plus 2,5 mg Folsäure wirkt sich innerhalb von durchschnittlich fünf Jahren auf das Risiko, einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden
oder aus kardiovaskulärer Ursache zu sterben (primärer Endpunkt), nicht besser aus als Plazebo (18,8% versus 19,8%; relatives Risiko [RR] 0,95; 95%
Konfidenzintervall [CI] 0,84-1,07; p = 0,41). Für Schlaganfälle ergibt sich zwar eine nominell signifikante Risikoreduktion (RR 0,75; 95% CI 0,59-0,97; p =
0,03). Da sich dieser Effekt bei transitorischen ischämischen Attacken nicht zeigt, für multiples Testen nicht adjustiert wird und das Ergebnis dem in der auf
Reinsulte angelegten VISP-Studie widerspricht, handelt es sich aber am ehesten um einen Zufallsbefund. In der vierarmigen NORVIT*-Studie nehmen 3.749
Patienten nach akutem Herzinfarkt entweder täglich 0,4 mg Vitamin B12 plus 0,8 mg Folsäure, täglich 40 mg Vitamin B6, eine Kombination der drei
B-Vitamine oder Plazebo ein. Während sich in durchschnittlich drei Jahren für keine Intervention ein Vorteil ergibt, scheint das Risiko eines tödlichen
oder nicht tödlichen Herzinfarkts, Schlaganfalls oder koronar bedingten plötzlichen Todes (primärer Endpunkt) unter der Dreierkombination sogar
anzusteigen (21,4% versus 18,2%; Rate Ratio 1,22; 95 % CI 1,00-1,50; p = 0,05). Sowohl in HOPE 2 als auch in NORVIT korreliert die Höhe der initialen
Homozysteinspiegel mit dem kardiovaskulären Risiko. Als mögliche Gründe, warum trotz der Homozystein-senkenden Wirkung ein klinischer Nutzen
der Vitamine ausbleibt, werden zellwachstumsfördernde Effekte von Folsäure oder hemmende Wirkungen hoher B6-Dosierungen auf
Reparaturvorgänge im Myokard diskutiert (The Heart Outcomes Prevention Evaluation [HOPE] 2 Investigators: N. Engl. J. Med. 2006; 354: 1567-77;
BØNAA, K.H. et al.: N. Engl. J. Med. 2006; 354: 1578-88). Die Ergebnisse weiterer großer Studien und eine geplante Metaanalyse der Daten von
über 50.000 Patienten stehen aus. Derzeit ist von der Einnahme der Vitaminkombination bei kardiovaskulären Erkrankungen oder Diabetes wegen nicht
belegten Nutzens abzuraten, -Red.
* HOPE 2 = Heart Outcomes Prevention Evaluation 2,
NORVIT = Norwegian
Vitamin,
VISP = The Vitamin Intervention for Stroke Prevention
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