ZUR FSME-IMPFUNG | ||||||||||||||||||||
In diesem Jahr ist der Begriff Endemiegebiet ersetzt worden durch "Risikogebiet", in Baden-Württemberg sind alle bisher nicht betroffenen, aber an betroffene angrenzenden Landkreise in den Bereich Risikogebiet hineingezählt worden. Dadurch erhöht sich die Nachfrage seitens der Patienten erheblich. Wie ist die momentane Risikoeinschätzung für die Erkrankung einerseits und für die Impfung andererseits, für Kinder und Erwachsene? J. FISCHER (Facharzt für Allgemeinmedizin) Die Idee könnte aus den Marketingabteilungen der Hersteller von FSME-Impfstoffen stammen: Seit einigen Wochen verzichtet das Robert Koch-Institut
(RKI) auf die früher übliche Unterscheidung zwischen Hochrisiko- und Risikogebiet sowie Regionen mit geringer FSME-Endemizität.1 Jetzt
gibt es nur noch "Risikogebiete". Das sind nach neuer Definition Land- (LK) und Stadtkreise (SK), in denen die Inzidenz der gemeldeten FSME-
Erkrankungen im Zeitraum 2002 bis 2006 höher als 1 pro 100.000 Einwohner war. Tatsächlich wird diese - bereits sehr niedrig angesetzte - Inzidenzgrenze
aber lediglich in 80 (62%) der 129 jetzt als Risikogebiet bezeichneten Kreise erreicht.* Außerdem werden Kreise mit geringerer FSME-Inzidenz
definitionsgemäß zum Risikogebiet, wenn alle angrenzenden Kreise signifikant erhöhte Erkrankungsraten aufweisen. 33 Stadt- und
Landkreise erhalten allein durch diese Neudefinition den Status eines Risikogebietes.1 Dabei wurden in sieben dieser "Risikogebiete" bislang
"niemals FSME-Erkrankungen erworben": SK Ansbach, LK Germersheim, LK Hohenlohekreis, SK Mannheim, LK Rhein-Pfalz-Kreis, SK Speyer und SK
Worms.1 In Artikeln der Tagespresse und auch der Ärztezeitung2 wird all dies nicht erläutert, sondern die größere Zahl der
Risikogebiete mit zunehmender Ausbreitung des FSME-Risikos gleichgesetzt. Der Run auf die Impfung und die damit verbundenen Lieferengpässe sind somit
hausgemacht.
Studien mit direkten Vergleichen von Nutzen und Schaden der angebotenen FSME-Vakzinen (ENCEPUR, FSME-IMMUN) fehlen. Die aktuellen Impfstoffe scheinen besser verträglich zu sein als die Vorläufervakzinen, die wegen Unverträglichkeit zurückgezogen werden mussten (a-t 2001; 32: 41-3). Aber auch in Verbindung mit den neueren Produkten wird über Verdacht auf schwerwiegende Impfkomplikationen berichtet, beispielsweise Krampfanfälle (NETZWERK-Berichte 12.769, 12.965, 14.344) oder Myelitis (13.904, 14.234). In Gebieten mit geringem Infektionsrisiko kann die Gefährdung durch die Impfung daher größer sein als durch die Infektion. Bei naturnahen Aufenthalten in tatsächlichen Risikogebieten erscheint zumindest für Ältere die Nutzen-Schaden-Abwägung eher positiv. "Harte" Evidenz aus Studien mit klinischen Endpunkten liegt jedoch nicht vor. Kinder sind nur minimal durch FSME gefährdet, obwohl sie - abgesehen von Kleinkindern - wahrscheinlich häufiger Kontakt mit Zecken haben als Erwachsene. "Der Grund ... dürfte darin liegen, dass die Rate klinisch manifester Infektionen im Kindes- und Jugendalter noch geringer ist als bei Erwachsenen".5 Bleibende neurologische Schäden sind bei Kindern eine "Rarität" (a-t 2002; 33: 27), Impfstoff-Unverträglichkeiten jedoch sehr häufig: 28% der Ein- bis Zweijährigen bzw. 7% der Drei- bis Fünfjährigen reagieren auf FSME-IMMUN JUNIOR mit Fieber von 38-39° Celsius, 3% bzw. 0,6% mit Temperaturen von 39,1-40° Celsius.6 Kopfschmerzen sind sehr häufig. Nervenentzündungen, Enzephalitis u.a. kommen vor. Die Impfung von Kindern gegen FSME erscheint uns hierzulande in der Regel entbehrlich.
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