* Vorversion am 14. Juni 2007 als blitz-a-t veröffentlicht.
Das Beratergremium der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA hat mit 14 : 0 Stimmen gegen die Zulassung des Endocannabinoid-
Rezeptorantagonisten Rimonabant (ACOMPLIA) zur Gewichtsabnahme
gestimmt.1 In Deutschland vertreibt die Firma Sanofi-Aventis Rimonabant bereits seit September 2006 gegen Übergewicht. Die Indikation
"Raucherentwöhnungsmittel" konnte der Hersteller weder in Europa noch in den USA für Rimonabant durchsetzen.
Im Vordergrund der Negativbewertung durch die FDA-Berater stehen Bedenken zu psychiatrischen und neurologischen Störwirkungen und vor allem Hinweise
auf eine Zunahme der Suizidalität. Nach einer von der FDA veranlassten verblindeten Auswertung der Rohdaten von 13 abgeschlossenen Studien in
verschiedenen Indikationen mit insgesamt knapp 15.000 Patienten ist die Suizidalität unter täglich 20 mg Rimonabant verglichen mit Plazebo signifikant
erhöht (Odds ratio [OR] 2,0, 95% Konfidenzintervall [CI] 1,2-3,4). Im gesamten Studienprogramm gibt es zwei vollendete Suizide, beide unter Rimonabant. Auch
das relative Risiko psychiatrischer Störwirkungen wie Angst oder Depression (relatives Risiko [RR] 1,6, 95% CI 1,4-1,9) und neurologischer unerwünschter
Wirkungen wie Schwindel oder Gedächtnisstörungen (RR 1,5, 95% CI 1,3-1,7) steigt insgesamt unter täglich 20 mg Rimonabant an. Die
neurologischen Störeffekte könnten zu den überproportional häufigen Verletzungen und Unfällen unter Rimonabant (6,9%) im Vergleich
zu Plazebo (3,8%) beigetragen haben. Auch Krampfanfälle scheinen zuzunehmen. Statistisch lässt sich ein erhöhtes Risiko jedoch nicht sichern (in
Studien zur Gewichtsabnahme OR 4,8; 95% CI 0,7-110).2
Dass psychiatrische Störwirkungen unter Rimonabant häufig sind, fiel bereits bei Markteinführung in Europa auf (a-t 2006; 37: 77-8). Sie betreffen nach neuen Daten der FDA 26% unter täglich 20 mg Rimonabant im Vergleich zu
14 % unter Plazebo.2 Das Risiko der Suizidalität könnte noch unterschätzt sein:2 Etwa 50% der Studienteilnehmer scheiden
vorzeitig aus, unter Rimonabant häufiger wegen Depression oder Angst. Eine systematische Nachbeobachtung der Studienabbrecher gibt es nicht, bei der
langen Halbwertszeit von Rimonabant von durchschnittlich 16 Tagen sind jedoch neu auftretende Störwirkungen auch nach Absetzen nicht
auszuschließen.
In Deutschland nahmen bis Ende November 2006 knapp 50.000 Menschen Rimonabant ein.2 Von 86 Berichten zu dem Mittel an das Bundesinstitut
für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) betreffen 40 psychiatrische Effekte, 6 davon Suizidalität3 (a-t 2007; 38: 61). Die Störwirkungen erscheinen biologisch plausibel: Dem Endocannabinoidsystem wird eine
modulierende Rolle bei Ängsten, Phobien oder Depressionen und eine neuroprotektive Funktion zugeschrieben, beispielsweise bei bestimmten Formen der
Epilepsie.2
Bereits bei der Zulassung in Europa wertete die Arzneimittelbehörde EMEA die langfristige toxikologische Unbedenklichkeit von Rimonabant als nicht gesichert.
Warum Rimonabant dennoch zugelassen wurde, konnten wir bereits damals nicht nachvollziehen (a-t 2006; 37: 77-8).
Angesichts der neuen Erkenntnisse zu Neurotoxizität und Suizidalität erachten wir die Marktrücknahme von Rimonabant für geboten. In den
USA hat die Firma den Zulassungsantrag für Rimonabant inzwischen zurückgezogen.4
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