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Nebenwirkungen

XYLOMETAZOLIN-NASENTROPFEN – GEFAHR VON FEHLDOSIERUNGEN BEI SÄUGLINGEN

Vasokonstriktorische Sympathomimetika zur intranasalen Anwendung beispielsweise mit Xylometazolin (OTRIVEN, Generika) oder Oxymetazolin (NASIVIN, Generika) rufen eine rasche symptomatische Linderung einer durch entzündliche Schwellung der Nasenschleimhaut behinderten Nasenatmung hervor. Für die Behandlung von Kindern werden Nasensprays und -tropfen in niedrigeren, angeblich altersgerechten Konzentrationen angeboten. Dennoch sind bei Säuglingen schwere Schadwirkungen, insbesondere Atemstillstand, auch unter therapeutischer Dosierung beschrieben.1-3 Jetzt warnt die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) vor potenziellen Medikationsfehlern bei der Xylometazolin-Säuglingszubereitung OTRIVEN 0,025% aufgrund unzureichender Dosiergenauigkeit der beiliegenden Pipette. Mehrere Eltern haben demnach berichtet, dass eine zuverlässige Gabe der empfohlenen Menge an Tropfen damit schwer umzusetzen sei, vor allem bei unruhigen Kindern.4

Dem Anbieter GlaxoSmithKline (GSK) sind „nur einige wenige Einzelfälle“ bekannt, bei denen es aufgrund von Überdosierung oder Fehlanwendung der Tropfen zu unerwünschten Effekten gekommen ist, darunter in den vergangenen drei Jahren eine schwerwiegende Störwirkung.5 Dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) liegt neben den aktuellen Berichten eine weitere Meldung vor, „in der es konkret um Dosierungsprobleme vermutlich mit dieser Art von Applikationshilfe“ geht.6 Als „Erstmaßnahme“6 wurden daraufhin 2018 in den Produktinformationen7 Dosierungsvorschriften und Warnhinweise dahingehend ergänzt, dass die Anwendung bei Säuglingen unter einem Jahr nur unter ärztlicher Überwachung erfolgen soll und bei Ein- bis Zweijährigen nur unter Aufsicht von Erwachsenen. 2019 wurden die Angaben zur korrekten Dosierung nochmals stärker herausgestellt.1 Seit Januar 2020 findet sich zudem auf der Verpackung von OTRIVEN 0,025% der Hinweis „Maximale Dosierung: 2-3mal tgl. 1 Tropfen pro Nasenloch!“.6

Der Versuch einer Risikoabwehr ist zu begrüßen – das Problem der Dosierungenauigkeit der Pipette der Xylometazolin-Säuglingszubereitung lösen die bisherigen Maßnahmen indes nicht. Laut BfArM ist GSK „aufgefordert worden, die Pipette zeitnah zu ändern“. Der Hinweis auf die ärztliche Aufsicht könne dann auch wieder entfallen. Eine Rezeptpflicht für OTRIVEN 0,025% hält die Behörde nicht für angezeigt.6 Gemäß AMK soll es laut Anbieter und BfArM ausreichen, wenn vor der erstmaligen Anwendung von Xylometazolin bei Säuglingen ein Arzt konsultiert wird. Treten keine Störwirkungen auf, könne das Präparat künftig „auch ohne ärztliche Aufsicht“ in der Apotheke abgegeben werden.* Die Eltern sind dort zudem zum richtigen Gebrauch der Pipette zu informieren, ggf. soll die Applikation demonstriert werden.4 GSK empfiehlt, für eine sichere Anwendung die Flüssigkeit in der Pipette hochzuziehen und dann, um zu testen, welcher Druck nötig ist, um einen Tropfen zu entleeren, die Flüssigkeit Tropfen für Tropfen wieder zurück ins Fläschchen zu tropfen, bis nur noch ein bis zwei Tropfen in der Pipette vorhanden sind. Diese könnten dann appliziert werden.8

*Mit den Ergänzungen in den Produktinformationen ist also nicht gemeint, dass die Tropfen nur im Beisein eines Arztes appliziert oder abgegeben werden sollen – was auch absurd wäre. Die gewählten Formulierungen „ärztliche Aufsicht“ bzw. „ärztliche Überwachung“ sind allerdings unseres Erachtens irreführend.

Angesichts der Gefahr schwerwiegender Störwirkungen auch unter therapeutischen Dosierungen sollte auf abschwellende Nasenmittel bei Säuglingen möglichst verzichtet werden. Falls Kochsalzlösung die Beschwerden nicht ausreichend lindert, ziehen wir für diese Altersgruppe unter den Sympathomimetika derzeit Oxymetazolin in altersgerechter Konzentration (0,01%) vor, das mit einem Dosiertropfer appliziert wird und zudem – anders als OTRIVEN 0,025% (die einzigen entsprechend dosierten Xylometazolin-Tropfen hierzulande) – kein Benzalkoniumchlorid enthält (vgl. a-t 2017; 48: 102-3). Allerdings kostet ein Fläschchen NASIVIN BABY mit 6,47 € für 5 ml fast dreimal so viel wie eine – unseres Erachtens unangemessen große – Packung OTRIVEN 0,025% (2,36 € für 10 ml). In Großbritannien dürfen abschwellende Nasenmittel und weitere rezeptfrei angebotene Erkältungsmittel (z.B. Antitussiva mit Dextromethorphan [SILOMAT DMP u.a.], vgl. a-t 2015; 46: 107-8 u.a.) seit 2009 aufgrund unzureichender Nutzenbelege und Hinweisen auf potenzielle Schäden bei Kindern unter sechs Jahren nicht mehr verwendet werden,9 – Red.

1GSK: Fach-/Gebrauchsinformation OTRIVEN 0,025%, Stand Sept. 2019
2Procter & Gamble: Fachinformation NASIVIN BABY, Stand Mai 2019
3MEYBURG, J. et al.: Dt. Ärztebl. 2006; 103: A 3411-3
4AMK: Information 04/20 vom 21. Jan. 2020; http://www.a-turl.de/?k=alau
5GSK: Schreiben vom 11. Febr. 2020
6BfArM: Schreiben vom 5. und 7. Febr. 2020
7GSK: Fach-/Gebrauchsinformation OTRIVEN 0,025%, Stand Dez. 2018
8MÜLLER, C.: DAZ online vom 30. Jan. 2020; http://www.a-turl.de/?k=eubn
9MHRA: Drug Safety Update 2009; 2 (Nr. 9): 8-9

© 2020 arznei-telegramm, publiziert am 21. Februar 2020

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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