Nichtsteroidale Entzündungshemmer beeinträchtigen die Schleimhautauskleidung des Magens. Sie können eine
"Gastroduodenopathie" bedingen mit oberflächlichen Erosionen im Bereich des Antrums oder Duodenums und okkulten Blutungen, ohne daß
dyspeptische Beschwerden bestehen. Bei längerer Einnahme etwa zur Schmerzlinderung bei Arthrosen steigt die Gefahr massiver Magen-
Darm-Blutungen, von Perforation und Obstruktion.
Als "Antirheumatikum mit aktivem Magenschutz" führt Heumann zum 1. September 1995 ARTHOTEC ein, eine Fixkombination aus 50 mg Diclofenac
(VOLTAREN u.a.) und 0,2 mg Misoprostol (CYTOTEC). Die Antirheumatika-bedingte unerwünschte Reduzierung des Magenschutzfaktors Prostaglandin E
werde durch ARTHOTEC "von vornherein unterdrückt, was die Rheumatherapie sowohl sicherer als auch einfacher macht."1
Der synthetische Prostaglandin-E1-Abkömmling Misoprostol, der sich als Ulkusmittel nicht durchgesetzt hat, könnte Verwender nichtsteroidaler
Antirheumatika vor Schleimhautschäden schützen. Der Nachweis, daß sich schwere Komplikationen wie Blutungen und Perforationen
verhüten lassen, stand bislang aus (s. auch a-t 12 [1992], 124). In einer jetzt veröffentlichten kontrollierten
Studie an über 8.800 Patienten mit rheumatoider Arthritis senken viermal täglich 0,2 mg Misoprostol die Zahl oberer gastrointestinaler Blutungen oder
Durchbrüche in sechs Monaten von 42 unter Plazebo auf 25. Ein hohes Komplikationsrisiko tragen über 75jährige und Patienten mit Magen-Darm-
Blutungen, peptischem Geschwür oder Herzerkrankung in der Vorgeschichte. Treffen die vier Faktoren zusammen, beträgt das Risiko 9%, im Vergleich zu
0,4%, wenn keiner der prädisponierenden Einflußgrößen vorliegt.2
Die ungezielte Zusatzverordnung von Misoprostol für Rheumapatienten, die nichtsteroidale Entzündungshemmer bekommen, würde die
Behandlungskosten operationsbedürftiger Komplikationen wie im Editorial eines namhaften Journals2 angemerkt wird um das
Sechseinhalbfache übersteigen. Strenge Indikationsstellung für Entzündungshemmer, Auswahl verträglicherer Wirkstoffe wie Ibuprofen
(BRUFEN u.a.; vgl. a-t 10 [1994], 94) und möglichst niedrige Dosierung helfen, Schäden zu vermeiden.
Für eine kleine besonders gefährdete Gruppe, vor allem ältere und herzkranke Patienten mit peptischem Ulkus oder Magen-Darm-Blutungen in der
Vorgeschichte, kommt die Vorbeugung mit Misoprostol in Betracht.2 Misoprostol-bedingte Störwirkungen wie Durchfall, Koliken, Kopfschmerzen,
Benommenheit und Schwindel wären dann in Kauf zu nehmen.
Die von Heumann angebotene Fixkombination ARTHOTEC ermöglicht keine individuellen Dosisanpassungen nach Bedarf und Verträglichkeit. Wollte
man die in der amerikanischen Studie verwendete Misoprostol-Dosis von viermal täglich 0,2 mg verschreiben, wäre die für Diclofenac empfohlene
Höchstdosis von täglich 150 mg um 50 mg überschritten.
FAZIT: Für ältere herzkranke Menschen mit Magen-Darm-Blutungen oder peptischem Geschwür in der Vorgeschichte, die nichtsteroidale
Entzündungshemmer einnehmen, kann die Verordnung von Misoprostol (CYTOTEC) sinnvoll sein. Nur die freie Kombination ermöglicht eine
bedarfsgerechte Dosierung, nicht jedoch die neue Fixkombination ARTHOTEC. Relativ verträgliche Wirkstoffe wie Ibuprofen (BRUFEN u.a.) sind vorzuziehen,
Hochdosen zu meiden.
1 | ARTHOTEC-Werbung, Pharm. Ztg. 140 (1995), 2979 |
2 | LEVINE, J. S.: Ann. Intern. Med. 123 (1995), 309 |
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