Seit Februar 2001 gibt es in den EU-Mitgliedstaaten eine einheitliche Metformin (GLUCOPHAGE u.a.)-Fachinformation.1 Ein Fortschritt, wenn
man bedenkt, wie viele unterschiedliche Versionen allein in Deutschland in Gebrauch sind (a-t 2000; 31: 69), die mit
widersprüchlichen Angaben die Therapiesicherheit gefährden.
Die Vereinheitlichung hätte Anlass sein müssen, den insbesondere durch die britische Diabetes-Studie UKPDS* entscheidend veränderten
Kenntnisstand zu Metformin angemessen zu berücksichtigen. Ein klinischer Nutzen des Biguanids - Senkung der Herzinfarktrate und Sterblichkeit sowie der
Häufigkeit diabetischer Komplikationen - ist nach der UKPDS nur für jüngere übergewichtige Diabetiker und nur innerhalb der engen Grenzen
belegt, die durch die Vielzahl der Kontraindikationen gesetzt sind. Die Kombination von Metformin mit Sulfonylharnstoffen führt in dieser Studie jedoch zu einer
signifikanten und klinisch bedeutsamen Zunahme der Mortalität (a-t 1998; Nr. 10: 88-90).2 In der
harmonisierten Fassung der Metformin-Fachinformation wird dieser Kenntnisstand an entscheidenden Punkten ignoriert. Patienten werden so einer potenziell
riskanten Therapie ausgesetzt:
Die Fachinformation sieht eine Höchstdosis von täglich 3 g
Metformin vor. In der UKPDS waren jedoch maximal dreimal 850 mg (= 2.550 mg) pro Tag erlaubt. Höhere Dosierungen haben keinen nachgewiesenen
zusätzlichen Nutzen, steigern aber das (dosisabhängige) Risiko lebensbedrohlicher Laktatazidosen.
Unter den Indikationen ist die Anwendung von Metformin in Kombination mit
anderen oralen Antidiabetika vorgesehen. Zwar wird eingeräumt, dass ein klinischer Vorteil der gleichzeitigen Verwendung von Sulfonylharnstoffen nicht belegt
ist. Die Sicherheitsbedenken, die sich aus der UKPDS und anderen Studien ergeben (a-t 1997; Nr. 1: 14),2-5
werden jedoch unterschlagen: In der UKPDS steigern Metformin plus Sulfonylharnstoff das Sterblichkeitsrisiko im Verlauf von zehn Jahren gegenüber
Sulfonylharnstoff allein um etwa 60% (von 11,5% auf 17,5%; Number needed to harm = 17).2 Dies deckt sich mit Daten aus USA und Schweden. Sechs von
sieben Todesfällen, die in US-amerikanischen Studien zu Metformin beobachtet wurden, traten unter gleichzeitiger Einnahme eines Sulfonylharnstoffs
ein.3,4 Nach einer schwedischen epidemiologischen Studie erhöht sich die Sterblichkeit unter der Kombination gegenüber Sulfonylharnstoff allein
um 63%, bedingt vor allem durch Steigerung der kardiovaskulären Mortalität.5 Studien, die die Unbedenklichkeit der Kombination belegen, gibt es
nicht.
Unter den Gegenanzeigen ist keine Altersbegrenzung angegeben. Senkung
von Morbidität und Mortalität durch Metformin ist aber nur bei Therapiebeginn bis zu einem Alter von 65 Jahren belegt. Da andererseits die Häufigkeit
der Kontraindikationen mit dem Alter zunimmt, können und dürfen die Ergebnisse der UKPDS nicht auf ältere Patienten extrapoliert werden. Für
die Sicherheit der in der Fachinformation empfohlenen Dosisanpassung bei Älteren gibt es keinen Beleg. Nach einer britischen Untersuchung finden sich
Gegenanzeigen bei über 50% der Patienten, die mit Metformin behandelt werden.6 Die betroffenen meist älteren Patienten haben ein sehr hohes
Risiko einer Laktatazidose unter Metformin.7 Die Sterblichkeit beträgt hier 30% bis 50%.
FAZIT: Eine einheitliche Fachinformation für alle Metformin-Produkte (GLUCOPHAGE u.a.) ist zu begrüßen. In der jetzigen Form enthält
sie jedoch gravierende Mängel - beispielsweise zu hohe Maximaldosis, keine Altersbegrenzung und Zulassung der Kombination mit Sulfonylharnstoffen -, die
dem Kenntnisstand zu Metformin widersprechen und Patienten gefährden. Untätigkeit der deutschen Behörde und fehlende Öffentlichkeit beim
europäischen Verfahren haben zu dem mangelhaften Resultat beigetragen (siehe Kasten).
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