Wenngleich die internationale Literatur bzw. die neue angelsächsische Leitlinie der British Thoracic Society bei "community-
acquired pneumonia" weiterhin Amoxicillin und Makrolide favorisiert,1 so gibt die Paul-EHRLICH-Gesellschaft die neueren Chinolone als gleichwertige
Medikamente der ersten Reihe an. Als Begründung dafür wird die gute Wirksamkeit bei Chlamydien, Mykoplasmen (!) und Pneumokokken (!)
angeführt. Wie gut ist die Wirksamkeit neuerer Chinolone abgesichert?
U. POPERT (Facharzt für Allgemeinmedizin)
D-34119 Kassel
Interessenkonflikt: keiner
Ältere Gyrasehemmer (Chinolone) wie Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.) eignen sich wegen ihrer Wirklücke bei grampositiven Kokken, insbesondere
Pneumokokken, nicht zur Behandlung ambulant erworbener Pneumonien (a-t 1990; Nr. 12: 102). Die neueren
Abkömmlinge Levofloxacin (TAVANIC), Moxifloxacin (AVALOX) und Gatifloxacin (BONOQ; vgl. a-t 2001; 32: 117)
sind zwar wirksam, schneiden jedoch in Studien zur empirischen Behandlung Erwachsener mit ambulant erworbener Pneumonie nicht besser ab als
Standardantibiotika wie Amoxicillin (AMOXYPEN u.a.).1
Die British Thoracic Society stuft Amoxicillin als Antibiotikum der Wahl ein, bei Penizillin-Unverträglichkeit bzw. ausgeprägter Pneumonie mit
erforderlicher Klinikeinweisung ein Makrolid wie Erythromycin (ERYCINUM u.a.) oder Clarithromycin (KLACID u.a.) anstelle bzw. zusätzlich zum Penizillin. Andere
Regime, beispielsweise mit Cephalosporinen, bleiben schweren Verläufen vorbehalten. Gyrasehemmer werden nur bei Unverträglichkeit, erhöhter
Gefahr Antibiotika-assoziierter Kolitis oder Therapieversagen von Penizillin plus Makrolid in Betracht gezogen. Resistenzentwicklung gegen Gyrasehemmer mit
Therapieversagen und Schadwirkungen wie Fototoxizität, Herzrhythmusstörungen und Hepatotoxizität, die zur Marktrücknahme von
Grepafloxacin (a-t 1999; Nr. 11: 120), Temafloxacin (a-t 1992; Nr. 6: 53)
und Trovafloxacin (a-t 1999; Nr. 7: 77-8) führten, sind Gründe für die zurückhaltende
Einstufung.1
Auch die American Thoracic Society rät zu einem restriktiven Gebrauch: Nur bei Patienten mit besonderen Risikofaktoren wie kardiopulmonalen
Vorerkrankungen oder schweren, stationäre Behandlung erfordernden Verläufen können Gyrasehemmer als Alternative zu Regimen mit Betalaktam-
Antibiotikum verwendet werden. Für ambulante Patienten ohne Risikofaktoren werden wegen möglicher atypischer Erreger (Mykoplasmen, Chlamydien,
Legionellen) als Mittel der Wahl neuere Makrolide wie Clarithromycin, nicht hingegen Gyrasehemmer empfohlen.2
Der Anteil penizillinresistenter Pneumokokken ist in Großbritannien und Deutschland etwa gleich hoch (intermediäre und höhere Resistenz in
Großbritannien 1997: 4%, 1998: 8%,1 in Deutschland 1998/99: 6,6%3), in den USA deutlich höher (1997: 21%4).
Intermediär resistente Pneumokokken, die den größten Teil der Resistenzen ausmachen, sprechen auf hoch dosierte i.v.-Penizilline wie Penicillin G
(PENICILLIN GRÜNENTHAL u.a.) an.4
Die Paul-EHRLICH-Gesellschaft nimmt für ihre Empfehlung von Levofloxacin und Moxifloxacin neben Cephalosporin und Aminopenizillin plus
Betalaktamase-Hemmer als Mittel der ersten Wahl jeweils den höchsten Evidenzgrad in Anspruch,5 ohne dies mit Quellen zu belegen. Die beiden
Thoracic Societies nennen für Gyrasehemmer überwiegend untere Evidenzgrade und belegen diese detailliert.1,2
Die Paul-EHRLICH-Gesellschaft, ein Verein zur "Förderung von Forschung und Lehre" auf dem Gebiet der Chemotherapie,6 ist nicht mit
dem Paul-EHRLICH-Institut, dem Bundesamt für Sera und Impfstoffe, assoziiert. Statt dessen fällt die Nähe zur pharmazeutischen Industrie
auf: Post für die Paul-EHRLICH-Gesellschaft nimmt die Antiinfectives Intelligence Gesellschaft für klinisch-mikrobiologische Forschung und Kommunikation
mbH entgegen,* ein Unternehmen, das pharmazeutischen Firmen Auftragsforschung und Marketingberatung anbietet.7
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