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Neu auf dem Markt

REGAINE FRAUEN FÜR FRAUEN MIT HAARAUSFALL?

Seit Februar ist mit REGAINE FRAUEN eine 2%ige Minoxidil-Lösung für Frauen mit androgenetischem Haarausfall auf dem Markt. Der ursprünglich als Hochdruckmittel entwickelte Vasodilatator (LONOLOX) ist in vielen Ländern bereits seit mehr als einem Jahrzehnt auch für Frauen als Haarwuchsmittel zugelassen, in den USA beispielsweise seit 1991. Hierzulande gab es bislang nur eine 5%ige Zubereitung für Männer (REGAINE 5%, a-t 2000; 31: 75-6).* Zulassung (dunkelhaarige Männer zwischen 18 und 49 Jahren) und Fachinformation ("nur bei wenigen Patienten ... kosmetisch befriedigendes Resultat") dieses Produktes spiegeln den Stand der Kenntnis. REGAINE FRAUEN ist hingegen ohne Einschränkung hinsichtlich Alter, Stadium oder Haarfarbe für alle Frauen mit androgenetischer Alopezie zugelassen. "Den Haarausfall bremsen", "die Haarqualität verbessern" und "den Terminalhaarwuchs fördern",1 verspricht Hersteller Pfizer, führt als Beleg aber lediglich zwei unveröffentlichte Quellen sowie eine Untersuchung mit acht Frauen an, von denen vier Minoxidil verwendet haben. Gibt es darüber hinaus aussagekräftigere Nutzenbelege?

HINTERGRUND: : Beim androgenetischen oder anlagebedingten Haarausfall der Frau kommt es zu einer diffusen Ausdünnung der Haare im Mittelscheitelbereich. Der Haaransatz bleibt erhalten. Diese Form der Alopezie nimmt mit steigendem Alter zu und wird in drei Schweregrade unterteilt (LUDWIG I-III).
Wie Minoxidil den Haarwuchs fördert, bleibt nach wie vor offen.2 Bei zweimal täglicher Anwendung von jeweils 1 ml 2%iger Lösung liegen die Blutspiegel im Mittel unter 2 ng/ml, können aber Werte wie bei Einnahme von Minoxidil-Tabletten erreichen.3

WIRKSAMKEIT: Im Vordergrund stehen zwei randomisierte herstellergestützte Multizenterstudien,4,5 in denen insgesamt 654 gesunde dunkelhaarige** Frauen zwischen 18 und 45 Jahren mit leichtem bis mäßigem Haarausfall (LUDWIG I-II) zweimal täglich 1 ml 2%iges Minoxidil oder Plazebo auf die Kopfhaut auftragen. Nach 32 Wochen nimmt die Zahl der Haare laut Per-Protokoll-Analyse in einem vorab gewählten Areal von 1 cm2 unter Minoxidil um 33 (von 137 auf 170)4 bzw. 23 (140/163)5 zu im Vergleich zu +19 (140/ 159)4 bzw. +10 (139/149) 5 unter Scheinmedikament. Der unterschiedliche Zuwachs von etwa 14 Haaren ist statistisch signifikant (95% Konfidenzintervall 9,6 bis 18,54 bzw. 5,9 bis 17,55). Bei einer üblichen Haardichte7 von etwa 300/cm2 erachten wir diesen Nettozuwachs von ca. 5% jedoch als unbedeutend.

Nach subjektiver Einschätzung durch Teilnehmerinnen und Prüfärzte (sekundärer Endpunkt) lässt sich bei 74% bis 88% der Frauen überhaupt kein oder allenfalls minimales Haarwachstum feststellen. Nur eine von 333 Anwenderinnen beurteilt ihre neu gewachsenen Haare als dicht.4,5 Nach Absetzen fallen die Haare wieder aus - offenbar unter das Ausgangsniveau (a-t 1992; Nr. 10: 100- 1).2 Weitere klinische Untersuchungen zum Nutzen von Minoxidil sind entweder nicht (vollständig) veröffentlicht oder wegen ihrer Größe nicht aussagekräftig. 5%iges Minoxidil soll nicht besser wirken als die 2%ige Lösung.3

SICHERHEIT: Die in den klinischen Studien veröffentlichten Daten zu Störwirkungen sind spärlich und machen eine Einschätzung von Spektrum und Häufigkeit unerwünschter Effekte unmöglich. Laut Produktmonografie müssen etwa 5% der Frauen zu Behandlungsbeginn mit Lokalreaktionen wie Juckreiz und Dermatitis rechnen, die einen Teil zum Absetzen zwingt.8 Britische Dermatologen berichten über eine Untersuchung mit 161 Männern und Frauen, in der 12 (7,5%) die Behandlung wegen Dermatitis abbrechen. Weitere 6 (3,7%) entwickeln eine allergische Kontaktdermatitis.9
Dosisabhängig kann sich eine Hypertrichose (z.B. Bartwuchs) entwickeln: In Studien klagen auf Nachfrage 9% bis 21% der Frauen unter 2%igem Minoxidil vorwiegend über vermehrte Gesichtsbehaarung (Plazebo 5% bis 16%). Nach der aus Spontanberichten errechneten Häufigkeit von 0,5%10 lässt sich unter Berücksichtigung einer Meldequote von höchstens 5% eine Häufigkeit von 10% vermuten.

Systemische Effekte von externem Minoxidil wie Flüssigkeitsretention, Zunahme von Frequenz und Schlagvolumen des Herzens sowie der linksventrikulären Masse und mögliche Todesfälle sind beschrieben (a-t 1997; Nr. 12: 126).3 Systematische Erfahrungen bei Personen mit Bluthochdruck fehlen, ebenso Langzeitdaten zur Häufigkeit von Herzkreislauferkrankungen bei Anwendern im Vergleich zu Nichtanwendern.3 In der Schwangerschaft ist das Externum kontraindiziert.2 Einzelberichte weisen auf eine mögliche Teratogenität hin.

KOSTEN:Die zweimal tägliche Anwendung von jeweils 1 ml 2%igem Minoxidil (REGAINE FRAUEN) kostet je nach Packungsgröße in Deutschland pro Monat 25 € (60 ml: 24,87 €) oder 13 € (3 x 60 ml: 39,39 €), in Österreich 41 € (60 ml: 40,60 €).

2%iges Minoxidil (REGAINE FRAUEN) führt bei Frauen mit anlagebedingtem Haarausfall nach acht Monaten zu einem Zuwachs von 23 bis 33 Haaren/cm2 im Vergleich zu 10 bis 19 Haaren/cm2 unter Scheinmedikament. Bei etwa 80% lässt sich subjektiv überhaupt kein oder allenfalls minimales Haarwachstum feststellen.

Aussagekräftige und nachvollziehbare Daten liegen nur für dunkelhaarige Frauen zwischen 18 und 45 Jahren mit leichtem bis mäßigem Haarausfall vor.

Neben häufigen Lokalreaktionen, in erster Linie Dermatitis, müssen Frauen mit vermehrtem Haarwuchs besonders im Gesicht (Bartwuchs) rechnen.

Wegen des unbefriedigenden kosmetischen Resultats und der ungeklärten kardiovaskulären Risiken raten wir vom Gebrauch von REGAINE FRAUEN ab.

© 2004 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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