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                            a-t 2006; 37: 69-71nächster Artikel
Im Blickpunkt

NATALIZUMAB (TYSABRI) BEI MS -
ZURÜCK IN DIE KLINISCHE ERPROBUNG

Einen "Quantensprung in der MS-Therapie" versprechen die Hersteller des rekombinanten humanisierten monoklonalen Antikörpers Natalizumab (TYSABRI).1 Er soll entzündliche Aktivitäten verringern, indem er an so genannte Integrine, Adhäsionsmoleküle auf der Oberfläche von Leukozyten, bindet. Die Wechselwirkung der Integrine mit anderen Adhäsionsmolekülen, die durch Natalizumab gehemmt wird, spielt bei der Migration von Leukozyten in das Gewebe wie auch bei der Leukozytenpassage der Blut-Hirn-Schranke eine Rolle.2

Nur drei Monate nach einer beschleunigten Zulassung in den USA musste Natalizumab im Februar 2005 wieder aus dem Handel gezogen werden: Drei von 3.000 Anwendern in klinischen Studien waren an progressiver multifokaler Leukoenzephalopathie (PML) erkrankt.3,4 Zwei Patienten starben, ein dritter erlitt schwere Behinderungen. Die PML wird durch das JC*-Virus, ein humanes Polyomavirus, ausgelöst, mit dem etwa 85% der Bevölkerung infiziert sind, das von Gesunden jedoch unterdrückt wird und latent vor allem in Nieren und Lymphsystem überdauert.5,6 Die seltene, oft tödlich verlaufende opportunistische Hirninfektion war bislang hauptsächlich bei Patienten mit AIDS und massiv Immunsupprimierten bekannt. Die initiale Symptomatik dieser Enzephalopathie ähnelt MS-Symptomen.5 Erste Läsionen im Magnetresonanztomogramm (MRT) lassen sich unter Umständen ebenfalls nicht von den Befunden bei MS unterscheiden, was eine frühzeitige Erkennung erschweren dürfte.7 Zurzeit kann weder das Erkrankungsrisiko unter Natalizumab genau abgeschätzt werden noch sind eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung bekannt.8 Nach Einschätzung von Mitarbeitern der FDA sind weitere Erkrankungen an PML zu erwarten, wenn der Integrinhemmer auf den Markt zurückkehrt.9

*  JC-Virus: benannt nach den Initialen des Patienten, bei dem das Virus erstmals isoliert wurde.

Inzwischen ist der Antikörper nicht nur wieder in den USA, sondern auch in Europa bei schubförmig remittierender Multipler Sklerose (MS) zugelassen. Die Zulassung ist in Europa allerdings beschränkt auf Patienten mit hoher Krankheitsaktivität, die entweder trotz Behandlung mit einem Betainterferon einen Schub erlitten haben oder mindestens zwei Schübe mit Fortschreiten von Behinderungen in einem Jahr.5 Es müssen darüber hinaus ausgeprägte MRT-Befunde vorliegen. Natalizumab darf zudem nur zur Monotherapie verwendet werden, da zwei der an PML Erkrankten zusätzlich Interferon beta 1a (AVONEX) angewendet hatten5,10 und der Dritte, ein Patient mit Morbus CROHN, zuvor verschiedene Immunsuppressiva eingenommen hatte.7,11 Ob sich das Enzephalopathie-Risiko der Patienten durch die Einschränkung auf Monotherapie verringern lässt, ist jedoch unklar.8 In den USA soll ein Verschreibungsprogramm mit zentraler Registrierung aller Patienten, in Europa die Verordnung nur durch "erfahrene" Ärzte in Zentren mit MRT-Zugang die Sicherheit der Anwender erhöhen.5,8

Die schubförmige MS verläuft möglicherweise gutartiger als früher angenommen: Nach einer aktuellen kanadischen Beobachtungsstudie, die knapp 1.600 nicht mit Immunmodulatoren behandelte Patienten mit dieser Erkrankungsform einschließt, vergehen bei der Hälfte der Betroffenen mindestens 33 Jahre, bevor eine Gehhilfe benötigt wird.12 Aufgrund der hohen Variabilität der MS ist es jedoch nach wie vor schwierig, den individuellen Verlauf zuverlässig zu prognostizieren.13,14 Der Nutzen einer immunmodulierenden Therapie wird dagegen oft überschätzt: Betainterferone senken die Schubfrequenz etwa um ein Drittel. Die Wirksamkeit ist jedoch nur im ersten Anwendungsjahr hinreichend gesichert (a-t 2003; 34: 31). Ob Behinderungen hinausgezögert werden, ist unklar. Ähnliches gilt für Glatiramerazetat (COPAXONE; a-t 2004; 35: 74 und 114-5).

EIGENSCHAFTEN: Die Pathophysiologie der MS ist nach wie vor nicht hinreichend geklärt. Der Erkrankung scheinen autoimmun vermittelte Entzündungsreaktionen zu Grunde zu liegen. Natalizumab, ein IgG-Antikörper, beruht auf einem neuen Therapieprinzip. Der humanisierte Maus- Antikörper bindet an α-4-Integrine, die auf allen Leukozyten, außer Neutrophilen, exprimiert werden.8 Dadurch wird die Wechselwirkung mit Adhäsionsmolekülen gehemmt, die vor allem für die Migration von Leukozyten aus Gefäßen, beispielsweise ins ZNS, benötigt wird.8

Im Gegensatz zu den teilweise selbst applizierbaren Interferonen muss Natalizumab alle vier Wochen über eine Stunde infundiert werden. In der Folge sollen 70% bis 80% der α-4-Integrine anhaltend blockiert sein. Der Antikörper hat eine lange Halbwertszeit von etwa 16 Tagen.5 Bei der empfohlenen Dosis von jeweils 300 mg wird ein steady state nach einem halben Jahr erreicht.8 Erst etwa drei Monate nach Absetzen scheinen die biologischen Effekte abzuklingen.7 Alter und Geschlecht beeinflussen die Pharmakokinetik offenbar nicht, wohl aber das Körpergewicht: Mit steigendem Gewicht nimmt die Clearance zu. Patienten mit niedrigem Körpergewicht sind mit der vorgegebenen Dosis langfristig möglicherweise überdosiert.5 Für Patienten mit Niereninsuffizienz oder Leberschädigung liegen keine Daten unter Natalizumab vor.10,15

WIRKSAMKEIT: An den beiden zweijährigen zulassungsrelevanten Phase-3-Studien16,17 haben etwa 2.100 Patienten mit schubförmig-remittierender MS teilgenommen. Die AFFIRM*-Studie mit 942 Patienten prüft Natalizumab als Monotherapie im Vergleich mit Plazebo, die zweite Studie untersucht es als Zusatz zu Interferon beta 1a im Vergleich mit Interferon allein. Voraussetzung für die Teilnahme ist eine MS nach den McDonald-Kriterien, nach denen die Diagnose bereits bei einem Schub gestellt werden kann, wenn zusätzlich bestimmte MRT- oder auch Liquorbefunde vorliegen. Die Mehrzahl der Patienten hat mindestens zwei Schübe in der Vorgeschichte. Die mediane Krankheitsdauer beträgt fünf16 bzw. sieben17 Jahre. Gemessen an den Punktwerten auf der KURTZKE-Skala (EDSS**, a-t 2001; 32: 106) haben zwei Drittel der Patienten höchstens eine minimale Behinderung (maximal 2,5 Punkte), weitere 20% höchstens eine mäßiggradige (maximal 3,5 Punkte).16,17 Patienten mit progressiven Verläufen, schweren Allergien und wesentlichen internistischen, dermatologischen und psychiatrischen Begleiterkrankungen, die nach Meinung der Studienärzte die Anwendung von Natalizumab verbieten, sind ausgeschlossen.4 In beiden Studien wird als primärer Endpunkt nach einem Jahr der Einfluss auf die jährliche Schubrate ermittelt,16,17 ein Parameter, dessen Bedeutung für die Verhinderung von Behinderungen unklar ist.18 Nach zwei Jahren wird primär die klinisch wichtige Zunahme von Behinderungen untersucht, die mit Hilfe der KURTZKE-Skala gemessen wird.16,17

*  AFFIRM = Natalizumab Safety and Efficacy in Relapsing Remitting Multiple Sclerosis Study
**  KURTZKE-Skala (= EDSS: Expanded Disability Status Score): nicht lineare Skala von 0 = normaler neurologischer Befund bis 10 = Tod durch MS. Stufe 1 bis 2 kennzeichnet minimale Behinderungen, 3 bis 4 mäßiggradige Einschränkungen, die die normalen täglichen Aktivitäten überwiegend nicht beeinträchtigen.

Von der Monotherapiestudie sind zusätzlich Patienten mit kurz zurückliegender oder längerer immunmodulierender Therapie in der Vorgeschichte ausgeschlossen. 94% haben zuvor weder Betainterferone noch Glatiramerazetat angewendet.4 Die Schubrate*** beträgt unter 300 mg Natalizumab i.v. alle vier Wochen im ersten Jahr 0,26 gegenüber 0,81 unter Plazebo. Sie bleibt unter dem Antikörper auch im zweiten Jahr geringer (0,23 vs. 0,72). Bei 17% der Patienten aus der Verumgruppe sind nach zwei Jahren Behinderungen fortgeschritten (Zunahme um einen Punkt auf der KURTZKE-Skala) oder neu aufgetreten (Zunahme um 1,5 Punkte bei Ausgangswert von 0) im Vergleich zu 29% der Plazebogruppe (Hazard Ratio [HR] 0,58; 95% Vertrauensintervall [CI] 0,43- 0,77; Number needed to treat [NNT] = 9). Auch die Zahl neuer Läsionen im MRT ist unter Natalizumab deutlich reduziert.16 Die klinische Bedeutung dieser MRT-Befunde ist jedoch unklar.18

***  Schubrate: Gezählt werden die Ereignisse, auch mehrere beim selben Patienten, die dann auf die Gesamtdauer der Nachbeobachtung der Patienten bezogen werden. Die Rate wird hochgerechnet auf ein Jahr.

Nach einer Post-hoc-Analyse des Herstellers soll auch eine kleine Subgruppe profitieren, deren Erkrankungsverlauf - mindestens zwei Schübe mit Fortschreiten von Behinderungen in einem Jahr - mehr der jetzt zugelassenen Indikation entspricht. Diese Analyse ist allerdings mit Vorsicht zu interpretieren, unter anderem wegen mangelhafter Dokumentation der Schwere der Schübe zu Studienbeginn.5

An der zweiten Phase-3-Studie17 nehmen Patienten mit mindestens einem Schub trotz Interferon-beta-1a-Therapie teil. Die nicht zugelassene Kombination von vierwöchentlich 300 mg Natalizumab i.v. plus einmal wöchentlich 30 µg Interferon beta 1a i.m. geht im Vergleich zu Interferon allein mit signifikant geringerer Schubrate (0,38 vs. 0,82) einher. Auch Behinderungen schreiten seltener fort, allerdings ist der Unterschied weniger ausgeprägt als in der plazebokontrollierten Studie (23% vs. 29%; HR 0,76; 95% CI 0,61-0,96; NNT = 17).17 Die zugelassene Monotherapie ist bei Patienten mit Therapieversagen unter Betainterferon nicht geprüft.5

Daten aus kontrollierten Studien über mehr als zwei Jahre liegen nicht vor.10 Patienten mit geringer Krankheitsaktivität im MRT (weniger als 9 Läsionen) profitieren in beiden Studien nicht von Natalizumab.5 In einer Phase-2-Studie ergibt sich aus MRT-Befunden ein Hinweis auf Rebound nach Absetzen: Das durchschnittliche Volumen bestimmter Läsionen nimmt nach Absetzen einer sechsmonatigen Therapie mit dem Antikörper rascher zu als nach Absetzen von Plazebo.5,20 Klinisch gibt es dafür bislang keine Bestätigung. Eine definitive Beurteilung ist auf der derzeitigen Datenbasis aber nicht möglich. In der Akuttherapie eines frischen Schubes wirkt Natalizumab nicht besser als Plazebo.19

STÖRWIRKUNGEN: Kopfschmerzen (38%), Erschöpfung (27%), Harnwegsinfekte (21%), Gelenkschmerzen (19%), Depressionen (19%) und Hautausschlag (12%) kommen unter Monotherapie mit Natalizumab sehr häufig vor und mindestens 3% häufiger als unter Plazebo. Schwere Depressionen sind zudem unter Verum öfter mit Suizidgedanken und -versuchen verbunden (0,6% vs. 0,3%).8

Die häufigsten schwerwiegenden unerwünschten Effekte in der Monotherapiestudie sind Infektionen: unter Verum bei 3,2% der Patienten, unter Plazebo bei 2,6%, darunter schwerwiegende Harnwegsinfekte oder Urosepsis (0,8% vs. 0,3%) und Pneumonien (0,6% vs. 0%), aber auch eine opportunistische Infektion mit Cryptosporidien.8 In anderen Studien sind opportunistische Infektionen auch tödlich verlaufen.10 Insbesondere bei an M. CROHN Erkrankten werden unter dem Antikörper verschiedene, typischerweise bei Immungeschwächten auftretende Infektionen beobachtet.5 In der kurzen Post-Marketing-Phase treten jeweils nach einmaliger Infusion eine Herpesenzephalitis mit Todesfolge und eine Herpesmeningitis auf.5

Um einer potenziell lebensbedrohlichen progressiven multifokalen Leukoenzephalopathie (PML) vorzubeugen, müssen Patienten engmaschig auf neuauftretende oder sich verschlechternde neurologische Symptome untersucht werden, die möglicherweise auf die Hirninfektion hindeuten. Für den Fall, dass neue neurologische Symptome auftreten, muss Natalizumab so lange ausgesetzt werden, bis eine PML ausgeschlossen ist. Als Zulassungsauflage muss der Hersteller allen behandelnden Ärzten ein Informationspaket zur Verfügung stellen, das unter anderem Informationen zur Diagnostik der PML einschließlich Unterscheidung der Symptome von einem MS-Schub sowie einen Algorithmus zum Vorgehen in diesen Situationen enthält.5 Die Effizienz dieser Maßnahmen ist jedoch unklar. Die Wirksamkeit und Sicherheit einer Wiederaufnahme der Therapie ist nicht geprüft.5

Natalizumab wirkt stark immunogen. Akute Überempfindlichkeitsreaktionen einschließlich Urtikaria, Fieber oder Blutdruckabfall, die in der Regel innerhalb von zwei Stunden nach Beginn der Infusion auftreten, sind in der Monotherapiestudie bei 4% der Anwender beschrieben. 1,1% entwickeln schwerwiegende akute Überempfindlichkeitsreaktionen einschließlich anaphylaktischer oder anaphylaktoider Reaktionen (0,8%).8 Bei Patienten, die von diesen Überempfindlichkeitsreaktionen betroffen sind, muss Natalizumab dauerhaft abgesetzt werden.5 In der US-amerikanischen Fachinformation sind unter der Monotherapie bei 5% der Patienten (Plazebo 2%) weitere Überempfindlichkeitsreaktionen beschrieben, die später als zwei Stunden nach Infusionsbeginn auftreten.8 Ob sie ebenfalls Absetzen des Mittels erfordern, bleibt unklar.8,18 Bei 6% der Patienten sind persistierende Anti-Natalizumab-Antikörper nachweisbar. Diese gehen mit deutlichem Wirkverlust einher: Rückfallrate und Zunahme der Behinderungen entsprechen dann denen unter Plazebo.8 Außerdem erhöhen sie das Risiko von Überempfindlichkeitsreaktionen. Auch bei diesen Patienten muss Natalizumab abgesetzt werden.5

Im Tierversuch wirkt Natalizumab ebenfalls stark immunogen. In einer Fertilitätsstudie sterben unbehandelte männliche Schweine nach Sexualkontakt mit den behandelten weiblichen Tieren, vermutlich an Hypersensitivitätsreaktionen. Bei den Ebern sind Antikörper gegen Natalizumab nachweisbar.5

Dass der Antikörper die Entwicklung maligner Tumoren fördern könnte, lässt sich auf der derzeitigen Datenbasis nicht ausschließen. Krebserkrankungen werden bei fünf Patienten unter Monotherapie mit Natalizumab (0,8%) und einem (0,3%) unter Scheinmedikament entdeckt.16

Weil sie am Auswandern durch die Gefäßwand gehindert werden, nimmt die Zahl der im Blut zirkulierenden Leukozyten zu - mit Ausnahme der Neutrophilen. Die Werte sollen sich in der Regel innerhalb von 16 Wochen nach der letzten Dosis normalisieren.5,8 Im Tierversuch ist häufig die Milz vergrößert, klinische Daten hierzu fehlen.5

Die vielfältigen offenen Sicherheitsfragen sollen nach Markteinführung in Studien und einem Überwachungsprogramm im Rahmen eines Risikomanagementplans abgeklärt werden.5 Unseres Erachtens hätte diese Abklärung zwingend vor der Zulassung erfolgen müssen. Die Kosten der Erprobung werden jetzt den Kassen aufgebürdet.

KOSTEN: Bezogen auf eine vierwöchige MS-Therapie kostet Natalizumab (TYSABRI, 300 mg/4 Wo.) 2.264 € und damit 68% bis 91% mehr als Interferon beta 1a (AVONEX: 1.345 € bei 6 Mio. E pro Woche), Interferon beta 1b (BETAFERON: 1.273 € bei 8 Mio. E jeden zweiten Tag) und Glatiramerazetat (COPAXONE: 1.187 € bei 20 mg/Tag).

*  Berechnet für 300 mg Natalizumab/4 Wo., 6 Mio. E Interferon beta 1a 1 x wöchent-
lich, 8 Mio. E Interferon beta 1b jeden 2. Tag, 20 mg Glatiramerazetat/Tag.
**  Bei Dosis von 8 Mio. E muss Rest von 1,6 Mio. E verworfen werden.

  • Seit August ist der Integrinhemmer Natalizumab (TYSABRI) zur Monotherapie der Multiplen Sklerose (MS) im Handel.
  • Der monoklonale Antikörper ist nur für Patienten mit schwerer schubförmig remittierend verlaufender MS zugelassen, die mindestens zwei Schübe mit fortschreitender Behinderung oder einen Schub trotz Betainterferon-Behandlung erlitten haben und ausgeprägte MRT-Befunde aufweisen.
  • Die enge Indikation und die Einschränkung auf die Monotherapie erfolgte, weil in klinischen Studien unter kombinierter Anwendung mit Interferon beta-1a (AVONEX) bzw. bei vorausgegangener Behandlung mit verschiedenen Immunsuppressiva zum Teil tödlich verlaufene progressive multifokale Leukoenzephalopathien (PML) aufgetreten sind.
  • Die ursprünglich nicht vorgesehene enge Eingrenzung der Indikation hat zur Folge, dass es für die jetzt zugelassenen Anwendungsgebiete keine Nutzenbelege gibt.
  • Geprüft wurde Natalizumab als Monotherapeutikum bei MS-Kranken, die zu über 90% nicht mit Immunmodulatoren vorbehandelt waren und nach einer mittleren Krankheitsdauer von fünf Jahren überwiegend nur minimal bis mäßiggradig behindert sind. Bei diesen Patienten senkt das Mittel die Rückfallrate und auch das Fortschreiten von Behinderungen.
  • Die Behandlung mit Natalizumab, die nur durch erfahrene Ärzte in Zentren mit MRT-Zugang erfolgen darf, ist an eine regelmäßige Überwachung zur Früherkennung einer PML gebunden. Ob diese Maßnahmen vor der bedrohlichen
  • Schadwirkung schützen können, ist nicht bekannt.
  • Mit weiteren schweren (auch tödlich verlaufenden opportunistischen) Infektionen ist zu rechnen. Antikörper gegen Natalizumab und Überempfindlichkeitsreaktionen sind häufig. Ein kanzerogenes Risiko ist nicht auszuschließen.
  • Da der Wirksamkeitsnachweis für die zugelassenen Indikationen fehlt und tödliche Risiken in nicht überschaubarem Ausmaß drohen, verbietet sich unseres Erachtens die Anwendung der toxischen Substanz in einem unkontrollierten Feldversuch.
  • Aus ethischen Gründen sehen wir eine Rechtfertigung für den Gebrauch nur im Rahmen valider randomisierter kontrollierter Studien zur Klärung von Wirksamkeit und Sicherheit der Monotherapie mit dem Antikörper bei den Patienten, für die das Mittel zugelassen wurde.

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