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Im Blickpunkt

VORSORGE FÜR FERNREISEN 1995

Mehr als 800 Ferntouristen erkrankten 1994 in Deutschland an Malaria. 16 der 19 Verstorbenen waren in Kenia gewesen. Die meisten Erkrankungen hätten sich durch Beratung und Befolgen der Prophylaxeempfehlungen vermeiden lassen: Über 40% der Betroffenen hatten auf eine notwendige medikamentöse Prophylaxe verzichtet, mehr als 20% unzureichende Mittel eingenommen.1 Frühstadien der Malaria werden im Heimatland leicht verkannt (cave typische Fehldiagnosen: grippaler Infekt, infektiöse Gastroenteritis). Bis zu einem Jahr nach Tropenaufenthalt ist die Möglichkeit einer Malaria gegeben.

MALARIA-PROPHYLAXE:2,3 Basis der Vorbeugung sind

  • Schutz vor Stichen der Anopheles-Mücke durch konsequentes Tragen bedeckender Kleidung in der Dämmerung, Verwendung von Mückenabwehrmitteln wie AUTAN und von Moskito-Netzen über dem Bett sowie
  • geeignete medikamentöse Malariaprophylaxe – abgestuft nach Infektionsrisiko und Resistenzsituation im Reisegebiet.

Die Einnahme der Malariamittel muß vor Reiseantritt beginnen und vier Wochen lang nach Verlassen der Malaria-Region weitergeführt werden. Ausführliche länderbezogene Angaben finden Sie im von uns herausgegebenen Therapiekursbuch4 (s. auch a-t 6 [1993], 57). Im Zweifel hilft der Rat eines Tropeninstitutes weiter.

In Ländern mit sporadischem Malaria-Risiko und Überwiegen der gutartigen tertiana (P. vivax)-Malaria bzw. Chloroquin-sensibler tropica (P. falciparum)-Form (in der Abbildung Region A, z.B. Gebiete Mexikos, südöstliche Türkei) genügt die wöchentliche Einnahme von 300 mg Chloroquin-Base*, bei sehr geringer Malariagefährdung die Mitnahme von Chloroquin zur Stand-by-Behandlung (Einnahme nur bei Malariaverdacht/Fieber von mindestens 38 Grad C, wenn kein Arzt am gleichen Tag erreichbar ist; ärztliche Nachkontrolle erforderlich).

In Ländern mit gering Chloroquin-resistenten P. falciparum (in der Abbildung Region B, z.B. Sri Lanka) werden zusätzlich zweimal täglich 100 mg Proguanil* (PALUDRINE) eingenommen. Zur Stand-by-Behandlung wird Mefloquin (LARIAM) empfohlen. Das nur zur Therapie verwendete Halofantrin (HALFAN) eignet sich trotz guter Wirksamkeit wegen arrhythmogener Effekte bei Personen mit QT-Verlängerung, unklaren Synkopen oder anderen Risikofaktoren für tachykarde Rhythmusstörungen (a-t 7 [1993], 73; 6 [1994], 56) weniger zur Selbstbehandlung im Notfall.

*

Schwergewichtigen Personen mag eine gewichtsbezogende Dosierung (Chloroquin: 5 mg/kg KG, Proguanil: 3 mg/kg KG) besseren Schutz bieten, jedoch möglicherweise bei schlechterer Verträglichkeit.6

Reisen in Länder mit deutlicher Chloroquin-Resistenz oder Multiresistenzen (in der Abbildung Region C, z.B. Kenia) erfordern die wöchentliche Einnahme von 250 mg Mefloquin (LARIAM). Wegen des nicht auszuschließenden Risikos von Mißbildungen müssen Schwangere, denen wegen der besonderen Risiken der Malariainfektion für Mutter und Kind von vermeidbaren Tropenreisen abgeraten wird, und Frauen, die innerhalb von drei Monaten nach der Reise schwanger werden können, auf Chloroquin plus Proguanil ausweichen. Dies gilt wegen neuropsychiatrischer Störwirkungen des Mefloquin (a-t 6 [1994], 54) auch für Patienten mit Krampfanfällen oder psychiatrischen Erkrankungen in der Vorgeschichte und Personen, die Feinkoordination erfordernde Tätigkeit ausüben.

Außerdem soll Mefloquin nicht von Patienten mit AV-Blockierungen sowie zusammen mit Chinin bzw. Chinidin-haltigen Mitteln, Betablockern, Kalziumantagonisten oder Antiarrhythmika eingenommen werden.2 Als Reservemittel kommt bei Unverträglichkeit oder besonderen Resistenzsituationen auch Doxycyclin (VIBRAMYCIN u.a.; 100 mg/Tag) in Betracht (cave Phototoxizität).

VORBEUGUNG VON REISEDURCHFALL: Wer die Grundregeln Tropenreisender beherzigt – "Cook it, boil it, peel it" – und nur gekochte Speisen, geschältes Obst und in Flaschen oder Dosen abgefüllte Getränke ohne Eiswürfel zu sich nimmt und Nahrungsmittel aus dem Straßenverkauf meidet, beugt Durchfall am wirksamsten vor. Wer diese Vorsichtsmaßnahmen nicht beachten kann oder will, mag viermal täglich 30 ml (2 Beutel) Wismutsubsalizylat (JATROX S) einnehmen (bei Kosten über 10 DM/Tag und einem Bedarf von fast 1 Liter für acht Tage) und sich damit zu etwa 60% vor Durchfall schützen.5 Antibiotika verhindern 80% bis 90% der überwiegend durch E.-coli-Varianten verursachten Durchfälle.5 Da ein Reisedurchfall im allgemeinen innerhalb weniger Tage von selbst abklingt, empfiehlt sich die prophylaktische Einnahme von Antibiotika (z.B. Co-trimoxazol [BACTRIM u.a.] oder Ciprofloxacin [CIPROBAY]) wegen häufiger Störwirkungen wie Hautausschlag und vaginaler Candidose nur für kurze Dienstreisen sowie für Personen, für die Durchfall eine ernsthafte Gefährdung bedeutet, z.B. insulinpflichtige Diabetiker, Patienten mit aktiven Darmerkrankungen oder AIDS (a-t 11 [1993], 124; Therapiekursbuch, A.V.I., Berlin, 1994, S. 218).

IMPFUNGEN: Zur guten Reisevorbereitung gehört die Überprüfung des Impfstatus. Der Impfschutz gegen Tetanus und Diphtherie ist alle 10 Jahre aufzufrischen. Wie bei der Polio-Immunisierung (vgl. Seite 66) reicht die einmalige Auffrischung, auch wenn mehr als 10 Jahre nach der letzten Immunisierung vergangen sind.

Die Hepatitis-A-Prophylaxe mit Immunglobulin (BERIGLOBIN u.a.) erscheint heute nicht mehr zeitgemäß. Empfehlenswerter ist die Impfung gegen Hepatitis A (HAVRIX) z.B. für Rucksacktouristen auf Treckingtouren in Endemiegebieten oder für Vielreisende in südliche Länder (a-t 2 [1995], 24; 3 [1995], 31).

Als Indikationsimpfstoff kommt auch die Hepatitis-B-Vakzine (GEN H-B VAX u.a.; in den Deltamuskel injizieren) für medizinisches Personal in Betracht oder bei zu erwartendem Sexualkontakt in Ländern Südostasiens oder Afrikas, in denen Hepatitis B endemisch ist.

Auf die Cholera-Impfung (Impfschutz rund 50%) kann weitgehend verzichtet werden. Die gut wirkende Gelbfieber-Impfung wird für Reisen in Risikogebiete (ländliche Regionen des tropischen Südamerikas und des tropischen Afrikas) empfohlen. Typhus-Vorsorge mit TYPHORAL L/VIVOTIF BERNA Kapseln bzw. mit dem neuen Parenteralimpfstoff TYPHIM VI (Schutzraten jeweils 60% bis 80%) kommt für Reisen mit niedrigem hygienischen Standard (z.B. "Abenteuerurlaub") in Endemiegebiete beispielsweise des indischen Subkontinents oder des tropischen Afrikas in Betracht.

FAZIT: Wer die Empfehlungen zur Malaria-Prophylaxe und die Grundregeln Tropenreisender ("Cook it, boil it, peel it or forget it") beherzigt und Standardimpfungen gegebenenfalls auffrischt, sorgt gut vor, auch wenn damit kein absolut sicherer Schutz vor Malaria oder Reisedurchfall garantiert wird. Eine zuverlässige Impfung gegen Malaria ist erst in fernerer Zukunft zu erwarten.


© 1995 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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