PPI-Verordnungen auf neuem Rekordhoch
Auf die stetige Zunahme der Verordnungen von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) wie Omeprazol (ANTRA, Generika) haben wir mehrfach hingewiesen (z.B. a-t 2009; 40: 90 und a-t 2006; 37: 103-4). Im Jahr 2009 ist mit knapp zwei (1,973) Milliarden definierter Tagesdosen zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung ein neues Rekordhoch erreicht. Die Zahl der PPI-Verordnungen steigt seit Jahren konstant um 15% bis 20% pro Jahr und hat sich seit 2000 versechsfacht (MÖSSNER, J. in SCHWABE, U., PAFFRATH, D. [Hrsg.]: "Arzneiverordnungs-Report 2010", Springer, Heidelberg 2010, Seite 681ff). Dieser Anstieg ist in keiner Weise durch Zunahme typischer Erkrankungen mit gesicherter PPI-Indikation zu erklären: In westlichen Industrienationen nimmt zwar die Häufigkeit erosiver gastro-ösophagealer Refluxkrankheiten zu, gleichzeitig werden aber peptische Magen- und Darmulzera seltener. Auch sind die Verordnungen von H2-Blockern oder Antazida nicht annähernd in gleichem Maße zurückgegangen wie die von PPI zugenommen haben. Ursache ist eine kritiklose Indikationsausweitung für PPI. Dies betrifft zum einen nicht-erosive Refluxerkrankungen und einfache Refluxbeschwerden, an denen nach einigen Darstellungen, die gerne auch von Herstellern verbreitet werden, bis zu 20% aller Erwachsenen leiden sollen. Wenn nicht-medikamentöse Maßnahmen nicht reichen, sollten PPI hier nur zeitlich begrenzt, bedarfsadaptiert und in niedrigster Dosis eingenommen werden. Überverordnungen betreffen aber auch die funktionelle Dyspepsie. Die Effektivität der PPI in dieser (nicht zugelassenen) Indikation ist lediglich gering und nur für kurze Anwendungen belegt. Zur Prophylaxe von Ulzera unter nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) sind PPI bei Risikopatienten angezeigt und Mittel der Wahl. Oft werden sie aber, besonders im stationären Bereich, reflexartig bei Ansetzen eines NSAR oder zur Stressulkusprophylaxe verordnet. Zu den Risikofaktoren für NSAR-Komplikationen zählen insbesondere frühere Magen-Darm-Ulzera oder -Blutungen, aber auch Alter über 65 Jahre, Komedikation mit Kortikosteroiden, Antikoagulanzien oder ASS. Ob von letzteren Faktoren ein einzelner als Indikation ausreicht, ist strittig. PPI werden insgesamt zwar gut vertragen. Beobachtungsstudien der letzten Jahre geben aber klare Hinweise auf ein erhöhtes Osteoporose- und Frakturrisiko (a-t 2007; 38: 49-50 und 2010; 41: 66). Auch das Risiko ambulant erworbener Clostridieninfektionen und Pneumonien scheint zu steigen (a-t 2006; 37: 16 und 2008; 39: 95-7). Zudem mehren sich Kasuistiken über symptomatische Hypomagnesiämien (a-t 2010; 41: 98) und interstitielle Nephritiden. PPI stehen darüber hinaus im Verdacht, durch Auslösen von Absetzbeschwerden ihren eigenen Dauergebrauch zu konditionieren (a-t 2009; 40: 90). Die Indikation für Protonenpumpenhemmer ist streng zu stellen. Die Notwendigkeit einer Langzeiteinnahme sollte in regelmäßigen Abständen überprüft werden, -Red.
© 2010 arznei-telegramm, publiziert am 8. Oktober 2010
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