Mit Efavirenz (SUSTIVA) ist jetzt der zweite von drei nichtnukleosidalen Reverse-Transkriptasehemmern (NNRTI) auf dem deutschen Markt
erhältlich. Das Wirkprinzip hat vor allem für Proteasehemmer-sparende initiale Kombinationsregime Bedeutung gewonnen. Die Standard-Tripel-Therapie,
die Proteasehemmstoffe wie Indinavir (CRIXIVAN) einschließt und nachweislich lebensverlängernd wirkt, ist durch komplizierte Einnahmevorschriften und
damit einhergehender unzuverlässiger Einnahme sowie unerwünschte Wirkungen auf Fett- und Glukosestoffwechsel (a-t 8 [1998], 76; 12 [1998], 110) belastet. Nevirapin (VIRAMUNE) wird seit
einem Jahr angeboten, für den dritten NNRTI Delavirdin (USA: RESCRIPTOR) ist die Zulassung beantragt.
EIGENSCHAFTEN: HI-Viren müssen als ersten Vermehrungsschritt ihre RNA in DNA "rückübersetzen". Im Unterschied zu
Reverse-Transkriptase-Hemmern vom Typ der Nukleosidanaloga wie Zidovudin (AZT; RETROVIR), die falsche DNA-Bausteine bilden, hemmen Efavirenz, Nevirapin
und Delavirdin die HIV-1-Reverse-Transkriptase, indem sie an das Enzym binden.
Efavirenz wird einmal am Tag eingenommen. Dies erleichtert die Therapietreue und gilt als wichtigster Vorteil des Mittels.1 Nevirapin wird zweimal, Delavirdin
dreimal täglich dosiert. Die lange intrazelluläre Halbwertszeit von Nevirapin lässt wahrscheinlich auch eine Einmaldosis am Tag ohne
Wirksamkeitseinbuße zu.2 Sie wird in Studien bereits verwendet.
Als Nachteil aller NNRTI gilt, dass schon eine Mutation der reversen Transkriptase ausreicht, um die Empfindlichkeit des Virus gegen die ganze Gruppe
herabzusetzen (Kreuzresistenz).1 Nach Therapieversagen sollen Proteasehemmer noch wirksam sein.2
WIRKSAMKEIT: Studien, die einen lebensverlängernden Nutzen der NNRTI belegen, gibt es bisher nicht. Die Viruslast wird unter NNRTI-haltigen
Kombinationen jedoch so deutlich gesenkt, dass man trotz fehlender Daten von einem klinischen Nutzen ausgeht. Direkte Vergleiche zwischen den drei Vertretern
fehlen. Ihre Wirksamkeit wird als ähnlich eingeschätzt.2 Unter Einnahme von Efavirenz plus zwei Nukleosidanaloga liegt die
Viruszahl nach 48 Wochen bei 65% der Teilnehmer unter 50 Kopien/ml.* Patienten mit hoher initialer Viruslast (über 100.000 Kopien/ml) profitieren ähnlich
wie die mit geringerer Ausgangszahl. Unter dem Vergleichsschema mit Indinavir beträgt der Anteil 44%. Mit 35% versus 25% ist die Abbruchrate im Indinavir-Arm
höher.3 Ein Nevirapin-Dreifach-Regime reduziert laut ersten Zwischenergebnissen nach 24 Wochen die Viruslast ebenso gut wie das
Vergleichsschema mit Indinavir (67% vs. 71% unter 50 Kopien/ml*).4 Bei 59% der mit einem Delavirdin-Tripelschema Behandelten liegt die
Viruslast nach einem Jahr unter 40 Kopien/ml.5* Die Wirksamkeit von Delavirdin-Nukleosidanaloga-Kombinationen nimmt bei hoher initialer Viruszahl
ab.2
STÖRWIRKUNGEN: Nevirapin ruft vor allem Hautausschlag hervor (bis 48%, schwer bis 8%). 1% erleidet ein STEVENS-JOHNSON-Syndrom.6 Bis
10% brechen die Anwendung wegen Arzneimittelexanthem ab. Jeder zweite Anwender von Efavirenz leidet unter zentralnervösen Störwirkungen wie
Schwindel, Schlaflosigkeit, abnormen Träumen oder Konzentrationsstörungen. Hautausschläge sind seltener und weniger schwer als unter Nevirapin
(Abbruchrate wegen Exanthem 5%). In Verbindung mit Delavirdin werden überwiegend leichter Hautausschlag und Kopfschmerzen als
wichtigste Störwirkungen angegeben (Abbruchrate wegen Exanthem 3%).2,3
WECHSELWIRKUNGEN: Delavirdin hemmt das CYP-450-Enzymsystem der Leber und darf daher nicht mit Arzneimitteln wie Cisaprid (ALIMIX, PROPULSIN;
vgl. Seite 78) kombiniert werden (a-t 7 [1998], 68). Die Eigenschaft kann aber in
Kombination mit Proteasehemmern genutzt werden, um deren Dosis zu senken. Nevirapin wirkt als CYP-450-Induktor, Efavirenz als Inhibitor und als
Induktor.1,2 Nevirapin kann bei Patienten unter Methadon (L-POLAMIDON)-Substitution ein Opiat-Entzugssyndrom auslösen.7
KOSTEN: Efavirenz (SUSTIVA) wird mit Monatskosten von 958 DM rund 4% teurer angeboten als der Proteasehemmer Indinavir (CRIXIVAN, monatlich 923
DM, als Reimport 920 DM). Die Neuerung kostet 33% mehr als der erste NNRTI Nevirapin (VIRAMUNE, monatlich 716 DM) und knapp 50% mehr als ein
VIRAMUNE-Reimport (642 DM).
FAZIT: Die nicht-nukleosidalen Reverse-Transkriptase-Hemmer (NNRTI) Efavirenz (SUSTIVA) und Nevirapin (VIRAMUNE) vereinfachen die antiretrovirale
Therapie der HIV-Infektion durch ein- und zweimal tägliche Einnahme ohne Diätvorschriften. In vergleichenden Studien senken sie die Viruslast
ähnlich gut wie Proteasehemmer. Störwirkungen betreffen vor allem die Haut, besonders häufig und schwer unter Nevirapin. Efavirenz fällt
durch zentralnervöse Effekte auf. Tripelschemata mit NNRTI werden jetzt besonders für die initiale Behandlung empfohlen, um Proteasehemmer wie
Indinavir (CRIXIVAN) einzusparen.1,2
* |
Nur die Ergebnisse zu Efavirenz beruhen auf strenger Intention-to-treat-Analyse. In die Auswertung zu Delavirdin gehen nur 34 der
ursprünglich 124 in diesen Studienarm randomisierten Patienten ein.5
|
** |
Kosten für Tagesdosierungen von 600 mg (Efavirenz), 400 mg (Nevirapin) und 2.400 mg (Indinavir).
|
|