Bisweilen wird behauptet, Generika wären schlechter als Originalpräparate und Patienten würden Gefahr laufen, mehr
Nebenwirkungen zu erleiden. Was ist dran?
Dr. med. A. JANSSEN (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie)
D-57074 Siegen
Interessenkonflikt: keiner
Die pharmazeutische Qualität deutscher Arzneimittel ist durchweg gut und keine Frage des Preises oder des Status als Originalpräparat oder
Generikum. Dies lässt sich aus zahlreichen vergleichenden Reihenuntersuchungen der letzten Jahrzehnte ablesen, die unabhängige Institute wie das
Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker durchgeführt haben. Wir referieren diese des Öfteren im a-t (zuletzt zu Lorazepam [TAVOR u.a.],
Seite 95, und Amitriptylin [SAROTEN u.a.], a-t 2007; 38: 60). Klinisch in der Regel nicht
relevante Unterschiede innerhalb der von den Arzneibüchern tolerierten Grenzen können bei Originalen wie bei Generika vorkommen. So setzen das
Original ESIDRIX und entsprechende Importe Hydrochlorothiazid langsamer frei als alle geprüften Generika (a-t 2003;
34: 84), und das Nachfolgepräparat ENELFA gibt den Wirkstoff Parazetamol langsamer ab als die übrigen getesteten Präparate (a-t 2003; 34: 84-5). In der Praxis stellt jedoch nur in Ausnahmefällen der Wechsel des Warenanbieters eines
Wirkstoffes ein möglicherweise klinisch relevantes Problem dar (z.B. Ciclosporin[SANDIMMUN]).
Originalanbieter und Generikafirmen lassen sich inzwischen bezüglich der produzierten Ware nur noch schlecht voneinander abgrenzen. Viele Konzerne haben
Generikaanbieter gekauft oder gegründet. So gehören 1A-Pharma und Hexal zu Novartis, Generika der dura-Reihe zu Merck oder Heumann-Generika zu
Pfizer (a-t 2005; 36: 53-4). Schon aus Kostengründen kommen dann Original und Generikum eines Konzerns
häufig aus demselben Dragierkessel oder derselben Tablettenmaschine. Insgesamt gibt es viel mehr Anbieter als tatsächliche Produzenten.
Originalanbieter lassen zum Teil bei Generikafirmen produzieren, Generikafirmen bei Originalanbietern und Generika- und Originalanbieter bei spezialisierten
Lohnherstellern. Dies wird verschleiert, weil in Deutschland keine Vorschrift existiert, den tatsächlichen Produzenten auf der Packung oder in der
Fachinformation zu deklarieren. Auffällig wird dies aber, wenn es doch einmal zu einer Produktionspanne kommt. So hat Hoechst in den 1990er Jahren als
Lohnhersteller für den Generikaanbieter Ratiopharm bei der Produktion von PARACETAMOL 500 T Tabletten versehentlich das Kortikoid Methylprednisolon
(URBASON u.a.) untergemischt (a-t 1992; Nr. 2: 18). Und vor kurzem musste der Generikaanbieter Biomo Pharma
Chargen von OMEPRAZOL-BIOMO 40 mg zurückziehen, da sein Lohnhersteller Losartan-Tabletten untergemischt hat.1
Bisweilen wird von Generika abgeraten, weil wegen unterschiedlicher Hilfsstoffe Unverträglichkeiten befürchtet werden. Zum einen lassen sich
Nebenwirkungen aber nur sehr selten auf Hilfsstoffe zurückführen, zum anderen sind beide Seiten der Medaille zu beachten: Originalpräparate
haben eine ältere und manchmal veraltete Galenik und können Hilfsstoffe enthalten, die man heute wegen des Unverträglichkeitspotenzials eher
meidet. ISOCILLIN 1,2 MEGA ist beispielsweise mit dem potenziell allergenen Azofarbstoff Gelborange S gefärbt, das Generikum PENICILLIN V STADA 1,2
MEGA hingegen nicht. Auch ein Wechsel von einer Dosisstärke auf eine andere oder von einer Formulierung auf eine andere (z.B. Normaltablette auf Retard,
Tablette auf Kapsel) kann trotz identischen Handelsnamens unterschiedliche Hilfsstoffe bedeuten. So enthalten VOLON 8 mg Tabletten Gelborange S, nicht aber
VOLON 4 mg und 16 mg. Der Sachverhalt ist also vielschichtig. Weder Generika noch Originalpräparate können in Bezug auf Qualität und
Verträglichkeit als generell "besser" oder "schlechter" eingestuft werden, -Red.
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AMK-PHAGRO-Schnellinformation vom 20. Sept. 2007
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