Am 5. April 1984 rief die Firma Merck, Darmstadt, eine "unabhängige Expertenkommission" von Hepatologen am Frankfurter Flughafen
zusammen, weil unter dem Alkoholentwöhnungsmittel Nitrefazol (ALTIMOL) Leberschädigungen mit tödlichem Ausgang aufgetreten waren (vgl. a-t 6
[1984], 45). Wundersamerweise kamen die Experten zu der von der Firma erwarteten entlastenden Formulierung. Wenige Wochen später, am 6. Juni 1984,
mußte Merck das Mittel trotzdem vom Markt nehmen.
Am 13. März 1994 versammelte die Firma Astra ebenfalls eine Expertenrunde im Frankfurter Airport-Hotel, um den Bescheid des Bundesgesundheitsamtes
über Blindheit und Taubheit als Folge der Anwendung des Magenmittels Omeprazol (ANTRA, GASTROLOC) zu entkräften (vgl. a-t 3 [1994], 25; 7 [1993], 74; 11
[1993], 122). Einige der Teilnehmer der Ad-hoc-Runde sind als Redner auf firmengesponserten Fortbildungsveranstaltungen bekannt und weniger als Fachleute
für die wissenschaftliche Beurteilung arzneimittelbedingter Erkrankungen. Unter Schriftleitung eines Schweizer Gastroenterologen, der bereits dem nutzlosen,
aber später als immunogen und leberschädigend erkannten Leber"schutz"präparat Cianidanol (CATERGEN, a-t 3 [1978], 33; 9 [1985], 73)
in der Erprobungsphase Wirksamkeit und gute Verträglichkeit bescheinigt hat,1 erhielt auch Astra das erwartete Statement. Die laut Astra "18
neutralen Experten aus ganz Europa" gelangen "18 gegen 0" zur Ansicht, "daß die 'Fälle' miserabel dokumentiert sind und eindeutig
kein Zusammenhang zwischen den aufgetretenen Erscheinungen und Omeprazol besteht".2 Einstimmig bestätigt die Runde zudem, daß
für Omeprazol und andere Benzimidazolderivate auch keine präklinischen Hinweise auf vaskuläre Effekte bestehen.
Dies erscheint unrichtig, denn nicht nur bei Lansoprazol (AGOPTON), sondern auch bei Benzimidazolderivaten von Astra wurden in Langzeitstudien an Hunden
nekrotisierende Vaskulitiden als immunologische Komplikationen beschrieben,3 jedoch hinsichtlich der Kausalität falsch beurteilt. Die gleichen
bedenklichen Befunde wie bei Lansoprazol gelten demnach auch für Benzimidazolderivate des Omeprazol-Herstellers (vgl. a-t 12 [1993], 129).
Bei Hunden können toxigene Immunkomplexe eine Vaskulitis auslösen, die zu einer Strömungsverlangsamung und Schäden am
Gefäßbett mit Ischämie des Versorgungsgebietes führt.4 Dieses immunogene Krankheitsbild wird bei Hunden durch intermittierende
Schmerzen, Leukozytose, Fieber und Angiitis necroticans bestimmt und als "beagle pain syndrome" bezeichnet. Blindheit kann dabei
vorkommen.5
Auch Hochdosen einer Imidazolverbindung von Roche dem Benzodiazepinrezeptor-Teilagonisten Bretazenil (RO 16-6028) bewirken multipel
vorkommende Gefäßentzündungen in ähnlicher Form, wie sie von einem Astra-Veterinärpathologen bei der Testung substituierter
Benzimidazole vom Omeprazol-Typ beschrieben wurden.6
Bei Fachleuten für Fragen der Arzneimittelsicherheit kann das Verhalten von Astra nur Verwunderung auslösen. Die Firma verfügt
bekanntermaßen über Erfahrungen mit dem Absturz von Arzneimitteln. 1983 scheiterte ihr Antidepressivum Zimeldin (NORMUD; vgl. a-t 6 [1983], 60; 9
[1983], 84), im Dezember 1993 ihr Neuroleptikum Remoxiprid (ROXIAM; vgl. a-t 12 [1993], 135; 1 [1994], 2), obwohl der Präsident der Firma uns noch mit Schreiben vom 18. Nov. 1993 versicherte, daß bei
Patienten, die auf andere Neuroleptika nicht ansprechen, "die möglichen Risiken der Behandlung mit ROXIAM akzeptabel sind".7 Wie sich
die Bilder gleichen!
FAZIT: Befunde aus der Sicherheitspharmakologie am Beagle-Hund sowie klinische Beobachtungen sprechen für eine Immunpathogenese der nach
Säureblockern aus der Benzimidazol-Reihe wie Omeprazol (ANTRA, GASTROLOC) und Lansoprazol (AGOPTON) aufgetretenen schwerwiegenden, z.T.
irreversiblen Seh- und Hörstörungen. Die tierexperimentelle Toxikologie weist auf eine spezifische Reaktion gegenüber Benzimidazol- bzw.
Imidazolverbindungen hin.
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