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Übersicht

BEHANDLUNG DER ACNE VULGARIS

Acne vulgaris ist die häufigste Hautkrankheit in der Pubertät und betrifft nahezu jeden Jugendlichen. Jungen erkranken oft schwerer als Mädchen. Seit einigen Jahren findet sich die Dermatose zunehmend auch bei 20- bis 40jährigen.1 Im Alter von 40 bis 49 Jahren leiden 5% der Frauen und 3% der Männer an der chronisch-entzündlichen Erkrankung der Talgdrüsenfollikel.4

Wie vor 16 Jahren (a-t 9 [1980], 70) vermischen sich rationale Behandlungsansätze mit einem "Hauch Medizingeschichte". Fragwürdige Aknemittel wie Hexachlorophen (AKNEFUG SIMPLEX) stehen weiterhin hoch in der Gunst der Käufer. Derzeit gehen in deutschen Apotheken jährlich Akne-Externa im Wert von über 110 Millionen DM über den Handverkaufstisch.

ENTSTEHUNG UND ERSCHEINUNGSBILD: Wenn die Pubertät einsetzt, stimulieren Androgene die Talgdrüsenzellen zu vermehrter Produktion (Seborrhoe). Gleichzeitig nimmt die Verhornung im Ausführungsgang der Drüse zu. Zähe Hornmassen, von Talg und Bakterien wie Propionibacterium acnes durchsetzt, weiten den Follikel auf (sog. Komedo oder Mitesser).2,3 Während bei geschlossenen Komedonen der Talg weißlich durchschimmert, ragt aus offenen Mitessern der schwarze Pol des Horn-Lipid-Pfropfs heraus. Geschlossene Komedonen können sich entzünden. Wird dabei die Follikelwand zerstört, greift der Prozess auf die Umgebung über. So entstehen sekundär Papeln und Pusteln, Knoten und Zysten.3

Leichtere Akneformen betreffen vor allem das Gesicht. Bei milder Akne überwiegen Komedonen. Es finden sich nur wenige entzündliche Läsionen (A. comedonica, A. papulosa). Bei mäßiger Erkrankung stehen gerötete follikuläre Papeln und Pusteln im Vordergrund, die teilweise narbig abheilen (A. papulopustulosa). Schwere Formen erfassen auch den Oberkörper. Die entzündlichen Veränderungen sind tiefer und hinterlassen stets deutliche Narben (A. nodulocystica).1,4 Die schwerste Ausprägung, Acne conglobata, befällt vorwiegend Männer. Besonders an Rücken und Nacken, aber auch an untypischen Stellen wie den Armen, entstellen fuchsbauartige Fistelkomedonen, einschmelzende Knoten und tiefe Narben die Betroffenen.5

Medikamente wie Glukokortikoide oder Anabolika (a-t 12 [1996], 124; siehe Tabelle) rufen manchmal follikuläre Papeln und Pusteln vorwiegend im Bereich der oberen Körperhälfte hervor.4,6 Mitesser finden sich hierbei zu Beginn nicht, können aber sekundär auftreten. Wegweisend sind plötzlicher Beginn, gleichförmiges Bild und von Beginn an großflächige Ausbreitung auch auf akneuntypische Stellen.6 Beruflicher Kontakt mit Öl, Teer oder Halogenen bzw. chlorierten Kohlenwasserstoffen verursacht gelegentlich Komedonen und nachfolgend auch entzündliche Veränderungen. Bei der sogenannten Mallorca-Akne entstehen - anscheinend in Verbindung mit Lipiden und Emulgatoren aus Sonnenschutzmitteln und Kosmetika - nach Sonneneinwirkung an belichteten Stellen Papeln.

ALLGEMEINE EMPFEHLUNGEN: Oft dauert es Wochen bis Monate, bis sich erste Erfolge einer Behandlung abzeichnen. Frühzeitiger Beginn hilft, Narbenbildung zu verhindern.2 Die Haut wird morgens und abends mit alkoholischen Lösungen oder indifferenten Pflegemitteln gereinigt.3 Einer unserer Berater empfiehlt heiße Packungen oder Bürstenmassagen, um die Hautdurchblutung anzuregen.

Durch unsachgemäßes Ausdrücken von Pickeln kann der Follikel platzen und die Entzündung auf die Umgebung übergreifen.2 Dagegen unterstützt vorsichtiges Entleeren der Komedonen (Akne-Toilette) - am besten durch eine Fachkraft - die Behandlung.3,7 Make up kann die Ausbildung von Komedonen fördern. Besondere Diätempfehlungen gibt es nicht. Bei vielen Betroffenen bessert sich die Haut im Sommer.3,4

LOKALTHERAPIE: Die örtliche Behandlung bildet die Basis bei allen Akneformen und reicht bei leichten bis mäßig starken Beschwerden aus. Grundsätzlich ist das ganze Gesicht einzubeziehen.4 Anfangs kann die Akne "aufblühen".

Stehen Komedonen im Vordergrund, empfiehlt sich eine Schälbehandlung mit Vitamin-A-Säure (Tretinoin [EPI ABEREL u.a.]), dem am besten komedolytisch wirkenden Mittel.3,4 Das Retinoid unterdrückt die Bildung neuer Mitesser. Der Effekt setzt erst nach mehreren Wochen ein. Tretinoin wird üblicherweise ein- bis zweimal täglich aufgetragen. Da es die Haut stark reizt, wird empfohlen, das Externum anfangs sowie nach Einsetzen der Wirkung nur alle zwei Tage anzuwenden.4 Tretinoin erhöht die Lichtempfindlichkeit der Haut (bei Sonnenexposition Lichtschutzmittel verwenden).2,3 Alle Retinoide sind teratogen und bei Kinderwunsch sowie in der Schwangerschaft kontraindiziert. Auch in Verbindung mit örtlichem Tretinoin kommen Fehlbildungen vor (a-t 8 [1994], 78).8 Für lokales Isotretinoin (ISOTREX) oder das seit einem Jahr erhältliche retinoidähnliche Adapalen (DIFFERIN) sehen wir keine Vorteile.

Das nicht verschreibungspflichtige Benzoylperoxid (CORDES BPO u.a.) wirkt antibakteriell, geringer auch komedolytisch. Es empfiehlt sich vor allem bei entzündlichen Veränderungen.4 In vergleichenden Untersuchungen bringt eine 10%ige Zubereitung keinen therapeutischen Gewinn gegenüber einer 2,5%igen bzw. 5%igen, verschlechtert aber die Verträglichkeit.9 Auch Benzoylperoxid reizt die Haut mit Brennen, Rötung und Schuppung. Bis zu 3% der Anwender reagieren mit Kontaktallergie.2 Verdacht auf Kanzerogenität (Mäusestudie) lässt sich in Folgeuntersuchungen nicht bestätigen (a-t 8 [1983], 76; 1 [1986], 6).2 Das Antiseptikum bleicht Haare und Kleidung. Um die Wirkung zu verstärken, können Tretinoin und Benzoylperoxid abwechselnd aufgetragen werden, z.B. das Retinoid abends und Benzoylperoxid morgens,10 zum Schutz vor zu starker Hautreizung jedoch nicht gleichzeitig.

Die vor wenigen Jahren eingeführte teure Azelainsäure (SKINOREN, a-t 8 [1991], 67, siehe Preiskasten) wirkt nach etwa vier Wochen anscheinend ebensogut wie Standardmittel.4 Brennen, Hautschuppung, Juckreiz und Erythem sollen seltener vorkommen als unter Benzoylperoxid oder Tretinoin.

Wird die Hautreizung durch Benzoylperoxid nicht toleriert, kommen lokale Antibiotika in Betracht. Erythromycin (AKNE CORDES u.a.)- und Clindamycin (BASOCIN)-Externa wirken bei Pusteln etwa gleich gut wie das Antiseptikum, bei Mitessern jedoch schlechter.11 Da beide Antibiotika für die systemische Therapie Bedeutung haben, gilt es, ihren äußerlichen Gebrauch zur Verringerung der Resistenzbildung auf ein Minimum zu beschränken. Dennoch wird Erythromycin unter den Externa nach Benzoylperoxid am häufigsten verwendet. Die antibakterielle Behandlung ist auf drei Monate zu begrenzen und ein Wirkstoffwechsel zu vermeiden.4 Intermittierende Anwendung des antimikrobiellen Benzoylperoxid soll resistente Keime von der Haut eliminieren.2,4 Erythromycin gilt in der Schwangerschaft als sicher.2 Die von der systemischen Anwendung von Clindamycin (SOBELIN u.a.) gefürchtete pseudomembranöse Kolitis ist auch nach örtlichem Gebrauch beschrieben.11

Traditionell verwendete nicht verschreibungspflichtige Mittel gegen "unreine Haut" und Akne wie Ichthyol (in AKNICHTHOL u.a.), Resorzin (in JAIKAL u.a.), Salizylsäure (in AKNEFUG-LIQUID N u.a.) oder Schwefel (SCHWEFEL-DIASPORAL u.a.) bleiben bis heute ohne hinreichende Nutzendokumentation.4 Schwefel kann den Hautzustand sogar verschlechtern. Auch Hexachlorophen (AKNEFUG SIMPLEX) erachten wir als überholt. Das neurotoxische Desinfektionsmittel wirkt im Tierversuch teratogen (vgl. a-t 12 [1983], 107; 10 [1979], 81) und verbietet sich daher für Frauen im gebärfähigen Alter.

SYSTEMISCHE BEHANDLUNG: Reicht die Lokaltherapie nicht aus oder ist bei tiefen Läsionen mit Vernarbung zu rechnen, kommen zusätzlich orale Antibiotika zum Zuge, ebenso bei stärkerem Befall des Körperstamms.4 Als Mittel der Wahl gilt im englischen Sprachraum Tetracyclin (HOSTACYCLIN u.a.), da es seltener als Doxycyclin (VIBRAMYCIN u.a.) photosensibilisierend wirkt.2,4 Hierzulande wird Doxycyclin vorgezogen, das nur einmal täglich einzunehmen ist (50 mg/Tag) und dessen Absorption weniger durch kalziumreiche Nahrung beeinträchtigt wird als bei anderen Tetrazyklinen. Das als Aknetetrazyklin beworbene Minocyclin (KLINOMYCIN u.a.) halten wir wegen des Risikos schwerer Immunerkrankungen und zum Teil tödlich verlaufender Hepatitiden für entbehrlich (a-t 2 [1996], 23). Muss auf Tetrazykline verzichtet werden, beispielsweise in der Schwangerschaft, kommt Erythromycin (ERYTHROCIN u.a.) in Betracht. Auch Trimethoprim (TRIMONO u.a., keine zugelassene Indikation) wirkt gegen P. acnes.3,4

Ein Behandlungszyklus dauert drei bis sechs Monate.4 Die Wirksamkeit lässt sich erst nach etwa drei Monaten beurteilen.1 Resistenz der Propionibakterien gegen Tetrazykline und Erythromycin nimmt zu. Um dieser Entwicklung zu begegnen, ist eine Substanz, die sich als wirksam erwiesen hat, bei erneuter Behandlung wieder anzuwenden und gleichzeitiger lokaler und systemischer Gebrauch unterschiedlicher Antibiotika zu unterlassen.2,4 Neben Magen-Darm-Störungen kommen vor allem vaginale Candidosis und follikuläre Superinfektion mit grammnegativen Erregern vor.1,2,4

Für Frauen, die gleichzeitig eine Empfängnis verhüten wollen, kommen orale Kontrazeptiva in Betracht. Gestagene mit stärkerer Androgenwirkung wie Levonorgestrel (in MICROGYNON u.a.), auch die nur ein Gestagen enthaltende "Minipille", können jedoch Akne begünstigen.2,4 Vorteilhafter sind Kombinationen mit Östrogen und dem Antiandrogen Chlormadinonazetat, die allerdings bis auf GESTAMESTROL N (Aknetherapeutikum mit schwangerschaftsverhütender Nebenwirkung) mit 50 µg Ethinylestradiol (NEO-EUNOMIN) bzw. 80 µg Mestranol (OVOSISTON) hoch dosiert sind. Für das antiandrogen wirkende Gestagen Dienogest (in VALETTE), das auch für Frauen mit Akne angeboten wird, gibt es erst beschränkte Erfahrungen (vgl. a-t 12 [1995], 120). Cyproteronazetat (in DIANE u.a.) können wir wegen der Hinweise auf kanzerogene Effekte nicht empfehlen (vgl. a-t 10 [1996], 94; 12 [1994], 113). Orale Kontrazeptiva erhöhen das Risiko thromboembolischer Komplikationen (a-t 11 [1995], 105; 12 [1996], 118).

Schwere oder therapieresistente Akne gehört in die Hand des Spezialisten. Als ultima ratio kommt orales Isotretinoin (ROACCUTAN) in Frage.4 Das Retinoid ist eines der stärksten Teratogene und bei gebärfähigen Frauen kontraindiziert, wenn keine wirksame und dauernde Empfängnisverhütung bis einen Monat nach Absetzen gewährleistet werden kann.

Die Behandlung dauert meist drei bis vier Monate. Nach Absetzen schreitet der Heilungsprozeß oft noch fort. Viele, zum Teil schwere Störwirkungen wie Austrocknung von Haut und Schleimhäuten, Augenreizung, Haarausfall, Anstieg der Blutfette und Leberenzyme müssen in Kauf genommen werden. Isotretinoin darf nicht mit Tetrazyklinen kombiniert werden, da beide den Hirndruck steigern können (Pseudotumor cerebri).4

Im NETZWERK dokumentieren wir schwerste Gelenkschmerzen und Myalgien in Verbindung mit Isotretinoin (Bericht 1402), schmerzhafte Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks mit Tendovaginitis am rechten Unterarm (4257) sowie therapieresistente Sakroileitis, die sich nach Absetzen des Retinoids bessert (6072). Die Akne eines 24jährigen verschlechtert sich unter der Einnahme massiv (3804).

Anstelle der vom Hersteller empfohlenen Hochdosen (0,5 mg bis 1 mg/kg KG/Tag) lassen sich auch mit 0,05 mg bis 0,1 (-0,2) mg/kg KG gute Erfolge erzielen (a-t 6 [1988], 50).2 Störwirkungen wie Trockenheit der Lippen treten auch dann regelmäßig auf und können als Hinweis auf ausreichende Wirkstoffspiegel dienen. Liegt die Gesamtdosis unter 120 mg/kg KG, sollen häufiger Rückfälle auftreten.2,4

FAZIT: Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene leiden unter Acne vulgaris, einer der häufigsten Hautkrankheiten überhaupt. Die Behandlung erfordert Geduld, da sich Effekte oft erst nach Wochen erkennen lassen. Therapie der Wahl bei leichter bis mäßiger Erkrankung sind Lokaltherapeutika, bei Überwiegen von Komedonen Tretinoin (EPI ABEREL u.a.) und bei entzündlichen Veränderungen das antibakteriell wirkende Benzoylperoxid (CORDES BPO u.a.). Bei unzureichender Wirkung oder schwerer Akne kommen Tetrazykline (z.B. Doxycyclin [DOXAKNE u.a.]) oder Erythromycin (ERYTHROCIN u.a.) per os in Betracht, für Frauen auch ein Östrogen in Kombination mit einem antiandrogen wirkenden Gestagen wie Chlormadinonazetat (z.B. GESTAMESTROL N). Das stark teratogene orale Retinoid Isotretinoin (ROACCUTAN) bleibt therapieresistenten Formen vorbehalten.


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