Zwei aktuelle Metaanalysen sollen dazu beitragen, den therapeutischen Stellenwert neuerer Hochdruckmittel zu klären.1,2 In der einen
werden Studien ausgewertet, die Kalziumantagonisten als Erstwahlmittel mit anderen Antihypertensiva (Diuretika, Betablocker und ACE-
Hemmer) vergleichen und klinische Endpunkte erfassen (STOP 2*, NORDIL*, INSIGHT* u.a.).1 Demnach nimmt unter Kalziumantagonisten das
Herzinfarkt- und Herzinsuffizienz-Risiko um 25% bzw. 26% und das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse insgesamt um 10% deutlich zu. Das Schlaganfallrisiko
sinkt nicht signifikant um 10% (95% Konfidenzintervall: -20% bis +2%). Die Gesamtsterblichkeit unterscheidet sich nicht (a-t
2000; 31: 73-4). Die Metaanalyse unterstreicht den Verdacht, dass Kalziumantagonisten für Diabetespatienten besonders nachteilig sind (a-t 1998; Nr. 4: 44): In dieser Gruppe nehmen kardiovaskuläre Ereignisse um 44% zu.
Gegenstand der zweiten Metaanalyse sind neben den Kalziumantagonisten die ACE-Hemmer. Es werden plazebokontrollierte Studien, Studien zur
intensivierten Hochdruckbehandlung und Vergleichsstudien der beiden Stoffgruppen untereinander sowie mit Betablockern oder Diuretika ausgewertet.
Ausschlaggebend für die Ergebnisse im plazebokontrollierten Vergleich sind die beiden (ethisch fragwürdigen) Studien SYST EUR* mit Nitrendipin
(BAYOTENSIN u.a.; a-t 1998; Nr. 6: 54-8) und HOPE* mit Ramipril (DELIX, VESDIL; a-t 2000; 31: 21). Für ACE-Hemmer ergibt sich danach ein deutlicher Vorteil hinsichtlich des Risikos von
Schlaganfall, koronarer Herzkrankheit, kardiovaskulärer Sterblichkeit, Gesamtmortalität und kardiovaskulärer Ereignisse insgesamt. Ein Vorteil der
Kalziumantagonisten gegenüber Plazebo lässt sich dagegen statistisch nur für die Endpunkte Schlaganfall, kardiovaskuläre Sterblichkeit und
kardiovaskuläre Ereignisse insgesamt sichern.2
Beim Vergleich von ACE-Hemmern mit Betablockern oder Diuretika auf der Basis der Studien STOP 2, UKPDS* und CAPPP* ergeben sich
keine signifikanten Unterschiede. Ein höheres Schlaganfallrisiko unter dem ACE-Hemmer wie in CAPPP (a-t 1999; Nr.
3: 30-1) ließ sich in STOP 2 (a-t 1999; Nr. 12: 127) nicht nachweisen. Ob sich ACE-Hemmer für
Diabetespatienten nachteilig auswirken, bleibt unklar. Die Schätzwerte in der Diabetes-Studie UKPDS (a-t 1998; Nr.
10: 88-90) begünstigen in fast allen Endpunkten (Ausnahme Herzinsuffizienz) den Betablocker.2
Die Ergebnisse des Vergleichs von Kalziumantagonisten mit anderen Hochdruckmitteln weisen in die gleiche Richtung wie die erste Metaanalyse. Aber:
Schlaganfälle lassen sich danach mit Kalziumantagonisten besser verhindern als mit Betablockern oder Diuretika. Hinsichtlich Schutz vor koronarer
Herzkrankheit (KHK) und Herzinsuffizienz schneiden Kalziumantagonisten zwar wiederum schlechter ab (Steigerung des relativen Risikos um 12% bis 19%). Ein
signifikanter Unterschied besteht jedoch nur im Vergleich mit ACE-Hemmern bei KHK. Mehrfach ergibt sich ein Trend zu Ungunsten der Kalziumantagonisten (bei
Herzinsuffizienz vs. ACE-Hemmer, bei KHK und Herzinsuffizienz vs. Betablocker und Diuretika).
Zwei methodische Vorgaben dürften für die andere Gewichtung ausschlaggebend gewesen sein: Im Unterschied zur ersten Metaanalyse werden
Kalziumantagonisten mit Betablockern und Diuretika bzw. ACE-Hemmern getrennt verglichen. Dadurch lassen sich die in der ersten Analyse errechneten
Differenzen in der zweiten statistisch nicht sichern (kleinere Fallzahl). Drei für Kalziumantagonisten negative Studien werden zudem nicht aufgenommen: Mit 380
Teilnehmern ist die FACET*-Studie gemäß den Einschlusskriterien zu klein. Die MIDAS*- und die CASTEL*-Studie dürften deshalb ausgeschlossen
worden sein, weil die Ergebnisse bereits 1994 publiziert oder erstmals präsentiert wurden. Die Metaanalyse berücksichtigt jedoch nur Studien, die zum
Zeitpunkt der Planung im Juli 1995 noch nicht veröffentlicht waren. Dieses auf den ersten Blick strenge prospektive Design beinhaltet somit durch gezielten
Ausschluss von zwei Negativstudien einen Selektionsbias. Zumindest hätte geprüft werden müssen, ob die Aufnahme der drei Studien das Ergebnis
verändert hätte (Sensitivitätsanalyse).3 Diese Prüfung fehlt jedoch.
Betablocker und Diuretika bleiben Hochdruckmittel der ersten Wahl.
Die Position der ACE-Hemmer wird gefestigt. Wegen der guten Nutzenbelege
können sie als Mittel der zweiten Linie gelten, wenn Erstwahlmittel kontraindiziert sind, nicht vertragen werden oder nicht ausreichend wirken.
Es bleiben Zweifel an der Sicherheit von Kalziumantagonisten in der
Hochdrucktherapie, besonders bei Diabetespatienten. Kalziumantagonisten sind höchstens Mittel der ferneren Wahl.
Die gleichrangige Positionierung praktisch aller Monoantihypertensiva in der ersten
Stufe des Behandlungsschemas, wie sie beispielsweise die Hochdruckliga empfiehlt,4 ist wissenschaftlich nicht vertretbar.
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CAPPP = Captopril Prevention Project; CASTEL = Cardiovascular Study in the Elderly;
HOPE = Heart Outcomes Prevention Evaluation; FACET = Fosinopril Versus Amlodipine Cardiovascular Events
Randomized Trial; INSIGHT = International Nifedipine Gastrointestinal Therapeutic System Study Intervention as a Goal in Hypertension
Treatment; MIDAS = Multicenter Isradipine Diuretic Atherosclerosis Study; NORDIL = Nordic Diltiazem Study;
STOP Hypertension = Swedish Trial in Old Patients with Hypertension; SYST EUR = Systolic Hypertension in Europe Trial;
UKPDS = United Kingdom Prospective Diabetes Study |
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