Seit Monaten wird die Redaktion zunehmend um Auskünfte zu Mitteln gebeten, die dem Bereich des Obskuren zuzurechnen sind. Meist stammen
Hinweise auf die Produkte aus dem Internet, bisweilen aus Laienpresse oder Fernsehmagazinen wie RTL-Explosiv. Die Versprechungen sind oft so unglaublich,
dass uns Leser empört darauf aufmerksam machen. Bisweilen wird aber nur nachgefragt, um die eigenen Vorbehalte bestätigt zu erhalten.
Da geht es beispielsweise um so genannte Krebsmittel wie die aus Japan stammenden MAN-KOSO-Fermente (321 DM bis 1.400 DM pro Packung), die russischen
Produkte GALAVIT (a-t 2000; 31: 98-9 und 105) und UKRAIN (a-t 1994; Nr. 3: 29 und Nr. 5: 46; "zerstört Krebszellen", -
6.000 DM/Woche) oder die kroatischen MEGAMIN Kapseln (Silikate; "Kann Ihr Leben nur positiv verändern." - 49 DM bis 179 DM pro Packung),
"CAREMILLAGE-Bachblüten-Sensitive-Line" gegen Neurodermitis, Psoriasis und Allergien ("Zeit heilt nicht alle Wunden. Die Natur
schon." - 253 DM), "Schlankheitsmittel" ("Fettkiller") wie CALIX-Kapseln (59 DM) oder den angeblichen "Grippeschutz zum
Schlucken" SCARA ROTER GINSENG (54 DM bis 97 DM), der die "lästige" Grippeimpfung ersetzen soll.
Aussagen zu Wirkungen und Erfolgen beruhen auf nicht nachprüfbaren Behauptungen oder fantastischen Fallbeschreibungen. Die Anpreisungen
zielen oft auf die Behandlung chronischer Erkrankungen, für die im Rahmen der "Schulmedizin" stark wirksame Arzneimittel verwendet werden, aber
Heilung nicht möglich ist. Sobald jedoch für Nahrungsergänzungsmittel oder Kosmetika eindeutige Indikationen genannt werden, handelt es sich
nach dem Gesetz um Arzneimittel, für die eine Zulassung erforderlich ist.1 Ohne die hierfür notwendigen Mindestdaten zur Absicherung von
Nutzen und Risiken sind sie nicht verkehrsfähig. Von den Behörden wurden beispielsweise als nicht verkehrsfähig eingestuft: CALIX Kapseln (=
PYROVATIN EXTRA), DRENOL, FIGURA FIT MEGA, NAVOL Pulver, PAPAYA-ZYME, SCAVE IMMUN u.a. 1,2
Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel in untypischer Form (z.B. Kapseln), die Nährstoff(e) in konzentrierter Form enthalten. Lebensmittel,
die vor Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der EU im Verkehr waren, gelten generell als "neuartig" (Novel Food Verordnung) und bedürfen
einer Zulassung. Dies gilt beispielsweise für aus Noni-Früchten hergestellte Produkte (a-t 2000; 31: 22). Deren Verkauf ist hierzulande illegal, da sie weder
als Arzneimittel noch als Lebensmittel zugelassen sind.3
Wenn fehldeklarierte Präparate mit Fantasieindikationen in Printmedien und von deutschen Firmen angeboten werden, haben
Überwachungsbehörden eine Chance - sofern sie überhaupt tätig werden (vgl. a-t 1999; Nr.
6: 59-60). So untersagte der Regierungspräsident Düsseldorf kürzlich die irreführende Werbung für das Pseudogrippemittel SCARA
ROTER GINSENG,4 - nicht aber dessen Vertrieb.
Die Firma Dr. RATH (a-t 1999; Nr. 8: 85) bezeichnet ihre hoch dosierten Vitaminpräparate als
Nahrungsergänzungsmittel und bietet Produkte per Internet über die Niederlande an, weil diese in Deutschland wegen Hochdosierung nicht
verkehrsfähig sind. Wird dieser Vermarktungsweg beanstandet, behauptet die Firma einfach, ihre Präparate nicht in Deutschland zu
vertreiben.5
Unerwünschte Wirkungen sind für Nicht-Arzneimittel weltweit unzureichend erfasst und dokumentiert, da diese oft unter Umgehung der
Fachkreise zum Verbraucher gelangen. Bekannt wird allenfalls die "Spitze des Eisberges", beispielsweise Herzrhythmusstörungen (a-t 1998; Nr. 11: 106) sowie schwere Manie mit Selbst- und Fremdgefährdung unter dem Hormon DHEA,6
das weiterhin - hierzulande illegal - im Internet als Nahrungsergänzung und Jungbrunnen angeboten wird ("So werden Sie jung und bleiben es
auch"7). Die amerikanische National Academy of Sciences warnt vor Nahrungsergänzungsmitteln mit hoch dosiertem Vitamin A (über
10.000 IE/Tag),8 das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) vor isolierter Beimischung von
täglich mehr als 2 mg Betakarotin in Nahrungsergänzungsmitteln, Getränken und Milchprodukten,9 weil das Provitamin bei Rauchern das
Risiko der Gesamt- und Lungenkrebsmortalität erhöht (a-t 1997; Nr. 12: 126).
FAZIT: Angesichts der Vielzahl der ohne behördliche Kontrolle und zum Teil über das Ausland angebotenen obskuren Nahrungsergänzungsmittel
und Arzneimittel und der fantastischen Versprechungen in der Werbung dürften Arzneimittelsicherheit und therapeutische Qualität bald vollends zum
Auslaufmodell werden. Für Quacksalberei lässt sich keine "Therapiefreiheit" rechtfertigen.
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