* Ratschläge für Flugreisende in a-t 6 (1996), 56
Etwa fünf Millionen Deutsche verreisen 1998 in die Tropen oder Subtropen.1 Last-Minute-Reisen gewinnen Marktanteile. Auf die Gesundheit
scheint weniger geachtet zu werden als auf den Geldbeutel. So brachten 1997 tausend Reisende eine Malaria-Infektion aus dem Urlaubsland mit,2 in den
ersten fünf Monaten des Jahres 1998 bereits 485.3
REISEDURCHFALL: Reisediarrhoe hält meist wenige Tage an und klingt dann von selbst ab. Überwiegend beruht sie auf Infektionen durch
enterotoxische E.-coli-Varianten. Die wichtigste Prophylaxe beschreibt die Tropenregel "Cook it, boil it, peel it, or forget it": Nur gekochte Speisen essen,
Früchte selbst schälen, auf rohes Gemüse sowie ungekochtes Wasser und daraus hergestellte Eiswürfel verzichten.
Wegen häufiger Störwirkungen kommt die prophylaktische Einnahme von Antibiotika wie täglich 500 mg Ciprofloxacin (CIPROBAY) nur
ausnahmsweise in Betracht, beispielsweise für Erwachsene, die durch Diarrhoe ernsthaft gefährdet sind, etwa bei aktiven Darmerkrankungen oder
für ältere Herzkranke. Weniger zuverlässig schützt Wismutsubsalizylat (JATROX 600 u.a.).
Zur Therapie eignen sich Loperamid (IMODIUM u.a.; nicht für Kleinkinder; a-t 3 [1998], 33) plus eine Einzeldosis beispielsweise von 750 mg
Ciprofloxacin.4 Die Symptome klingen dann üblicherweise innerhalb von 24 Stunden ab. Bei starkem Durchfall, gleichzeitigem hohen Fieber
oder Blutstühlen werden für Erwachsene drei Tage lang Gyrasehemmer empfohlen, beispielsweise zweimal täglich 500 mg Ciprofloxacin. Gegen Co-
trimoxazol (BACTRIM u.a.) sind in einigen Regionen Resistenzen verbreitet.4
Für Kinder empfiehlt sich die Substitution von Wasser und Elektrolyten (D-ISO-RATIOPHARM u.a.), um einer Dehydratation vorzubeugen oder diese zu
behandeln. Der Durchfall selbst bleibt dadurch jedoch unbeeinflusst.
Auf Darmantiseptika, orale Bakterienpräparate (BACTISUBTIL, PERENTEROL u.a.) und Adsorbentien wie Kohle (KOHLE COMPRETTEN u.a.) kann verzichtet
werden, da deren Nutzen nicht hinreichend belegt ist.
IMPFUNGEN: Fernreisen geben Anlass, den Impfstatus zu überprüfen, der vor allem bei Älteren Lücken aufweist. Impfungen gegen
Kinderlähmung (heute nur noch parenteral, vgl. Seite 67), Diphtherie und Wundstarrkrampf sollten
nach 10 Jahren aufgefrischt werden. Eine Dosis mit verringertem Diphtherietoxoid-Gehalt, am besten in der Kombinationsvakzine (Td-Impfstoff), reicht meist
aus.7
Die Impfung gegen Cholera (CHOLERA-Impfstoff Behring) erübrigt sich. Der Schutz ist unvollständig, unzuverlässig und kurzlebig. Kein Land
fordert mehr die Impfung als Voraussetzung für die Einreise.5
Immunglobuline (BERIGLOBIN u.a.) bieten keinen unspezifischen Universalschutz vor ortsgebundenen Infektionen. Die Prophylaxe gegen die durch Nahrung und
Trinkwasser übertragene Hepatitis A mit Immunglobulin (noch für Last-Minute-Reisende anwendbar) ist heute durch die aktive Impfung (HAVRIX,
VAQTA; a-t 3 [1995], 31) abgelöst. Sie ist vor allem für Personen erforderlich, die sich als Vielreisende oder
Rucksacktouristen längere Zeit in Endemiegebieten aufhalten. Schützende Antikörperspiegel finden sich bei Erwachsenen 2 bis 4 Wochen nach der
ersten Impfdosis.4
Hepatitis B wird - wie HIV - durch Blut- und Sexualkontakte übertragen und bedeutet für Normaltouristen keine besondere Gefährdung.
Impfvorsorge gegen die Leberentzündung empfiehlt sich bei Langzeitaufenthalt in Endemiegebieten wie großen Teilen Afrikas oder in Südostasien,
für Personen, die sich in diesen Regionen medizinischen Eingriffen unterziehen müssen, sowie für Sextouristen.4 Ein Kombinationsimpfstoff
(TWINRIX) erleichtert die Vorsorge, wenn die Prophylaxe von Hepatitis A und B erforderlich ist.
Die Hepatitis-B-Vakzine schützt auch vor Hepatitis-D-Infektionen. Diese treten nur in Verbindung mit Hepatitis B auf, da das inkomplette Virus zur Infektion auf
das B-Virus angewiesen ist.
Zur Typhus-Vorsorge wird bei Reisen in Gebiete mit niedrigem hygienischen Standard außerhalb üblicher Touristenrouten geraten. Die
Schutzwirkung des Oralimpfstoffs (TYPHORAL L u.a.) und der Parenteralvakzine (TYPHIM VI) liegt jedoch bei dürftigen 60% bis 80%. Längere Wirkdauer
und nicht zu beachtende zeitliche Abstände zu anderen Immunisierungen sprechen bei etwa gleichen Kosten für die Parenteralvakzine (a-t 2 [1996], 21; 6 [1996], 60). Die Impfung kann hygienische
Maßnahmen nicht ersetzen (Speisen grundsätzlich abkochen).
Dengue-Fieber ist in seiner hämorrhagischen Form lebensbedrohlich. Eine wirksame Impfung existiert nicht. Die Moskitoart (vor allem Aedes aegypti),
die das Virus überträgt, sticht im Gegensatz zu Malaria-übertragenden Mücken auch am Tag und findet sich auch in größeren
Städten. Zur Mückenabwehr mit Repellentien und Räucherspiralen wird daher in gefährdeten Regionen Südostasiens und Lateinamerikas
auch am Tage geraten.5
Gelbfieber-Endemiegebiete liegen im tropischen Südamerika und Regionen Afrikas zwischen dem 15. nördlichen und 15. südlichen
Breitengrad. Die Infektion wird durch Moskitos (Aedes aegypti) übertragen. Maßnahmen zum Schutz vor Moskitostichen mindern daher das
Infektionsrisiko. Einige Länder Afrikas und Lateinamerikas verlangen bei der Einreise grundsätzlich eine offizielle Impfbescheinigung. Die Vorsorge ist bei
Aufenthalten in Endemiegebieten auch dann ratsam, wenn sie bei der Einreise nicht offiziell gefordert wird. Über 60% der nichtgeimpften Erwachsenen
versterben, wenn sie erkranken.5
MALARIA-PROPHYLAXE: Malaria wird durch Stich infizierter Anopheles-Moskitos übertragen, die überwiegend in der Dämmerung und
nachts aktiv sind. Verwendung von Mückenabwehrmitteln wie AUTAN, Tragen bedeckender Kleidung in der Dämmerung bzw. Schlafen unter
(imprägnierten) Moskitonetzen werden durch die medikamentöse Prophylaxe ergänzt. Der Versuch der Malaria-Vorbeugung mit
homöopathischen Mitteln gilt als Kunstfehler (a-t 4 [1998], 42). Impfstoffe befinden sich in frühen
Entwicklungsstadien.
Die Einnahme eines Malariamittels muss vor Reiseantritt beginnen und vier Wochen nach Verlassen des Malariagebietes fortgesetzt werden. Während der
Reise sowie bis zu drei Jahre danach soll ein Arzt aufgesucht werden, wenn eine fieberhafte Erkrankung auftritt.4
Die Wahl der Chemoprophylaxe richtet sich nach persönlichen Faktoren, Reiseziel(en) und Dauer des Aufenthalts. Die Abbildung gibt einen Überblick
über Regionen und die aktuellen Empfehlungen der Weltgesundheitsbehörde (WHO).
In Gebieten mit sehr geringer Gefährdung reicht es aus, Chloroquin zur Stand-by-Behandlung mitzunehmen. Die Einnahme soll nur bei Fieber von
mindestens 38 Grad Celsius und Malariaverdacht erfolgen, sofern kein Arzt am gleichen Tag erreichbar ist. Der Arztbesuch ist so rasch wie möglich
nachzuholen. Gleiches gilt für die Stand-by-Therapie nach Versagen einer Prophylaxe.
Halofantrin (HALFAN) scheidet wegen Gefährdung durch bedrohliche Herzrhythmusstörungen (a-t 7 [1993],
73; 6 [1994], 56) zur Stand-by-Einnahme im Notfall aus.5
- In Ländern mit geringem Malariarisiko (in der Abbildung Region A) und fehlender bzw. Chloroquin (RESOCHIN u.a.)-sensibler Plasmodium (P.)-
falciparum-Malaria (Malaria tropica, gefährlichste Form mit unregelmäßigem Fieberrhythmus) genügt zur Vorbeugung die wöchentliche
Einnahme von 300 mg Chloroquin-Base, bei mehr als 78 kg Körpergewicht 2,5 bzw. 3 Tabletten (5 mg/kg). Bei Versagen: Stand-by-Therapie z.B. mit Mefloquin
(LARIAM).
- In Ländern mit gering Chloroquin-resistenter P.-falciparum-Malaria (Region B) werden zusätzlich zur einmal wöchentlichen Chloroquin-
Dosis täglich 200 mg Proguanil (PALUDRINE) eingenommen (Stand-by z.B. Mefloquin).
- In Ländern mit bedeutender Chloroquin-Resistenz oder Vielfachresistenzen (Region C) empfiehlt die WHO primär die wöchentliche
Einnahme von 250 mg Mefloquin, alternativ Chloroquin plus Proguanil bzw. in Grenzgebieten von Thailand zu Kambodscha bzw. Myanmar Doxycyclin (VIBRAMYIN
N u.a.; 100 mg/Tag, cave Phototoxizität). Bei Versagen der Prophylaxe ist so rasch wie möglich ein Arzt aufzusuchen.
In der ABC-Karte bleiben Risikowahrscheinlichkeiten unberücksichtigt: So benötigen 90% der typischen Thailandreisenden keine
medikamentöse Malaria-Prophylaxe (Wahrscheinlichkeit des Stichs einer infizierten Mücke in Touristengebieten bei 0,03 Promille).6 Dagegen ist
das Infektionsrisiko in Tansania bei 8-10% infektiöser Mücken extrem hoch.6 Beide Länder gelten nach WHO als "C"-Gebiete.
Gering ist die Gefährdung oft in größeren Städten wie in Nairobi (Kenia) oder Bangkok (Thailand) sowie in größeren Höhen, z.B.
über 2.000 m in Indien oder über 1.800 m in Tansania.
Umfangreiche landesbezogene Hinweise (auch zu Gelbfieber u.a.) finden sich in der jährlich erscheinenden WHO-Broschüre "International Travel
and Health"5 oder im Internet beispielsweise über die amerikanischen Centers for Disease Control (http://www.cdc.gov/travel). Im Zweifel hilft der Rat eines Tropeninstituts weiter.
Seit Einführung von Mefloquin in die Malaria-Prophylaxe Ende der 80-er Jahre steht die Chinin-Variante wegen zentralnervöser bzw.
neuropsychiatrischer Komplikationen einschließlich Angst, vitaler Depression mit Suizidgefahr, Halluzinationen, Psychose u.a. unter Kritik (a-t 8 [1989], 74; 11
[1989], 103 u.a.). Die WHO rät daher, mit der Einnahme zwei bis drei Wochen vor der Reise zu beginnen, um Störeffekte erkennen und auf Alternativen
umstellen zu können.5 Dies soll verhindern, dass Reisende die Prophylaxe während des Urlaubs wegen Unverträglichkeit ersatzlos
absetzen, und hat zudem den Vorteil, dass bis zum Reisebeginn die Blutkonzentrationen höher liegen. Wegen der langen Halbwertszeit von drei Wochen
werden sichere Wirkspiegel bei Kurzreisen sonst erst nach den Ferien erreicht. Prophylaxeversager werden hierauf zurückgeführt (a-t 10 [1995], 103).
Für Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen oder Krampfanfällen in der Vorgeschichte sowie für Personen, die Feinkoordination erfordernde
Tätigkeiten ausüben, einschließlich Flugzeugbesatzungen (a-t 6 [1994], 54), eignet sich Mefloquin
nicht - Alternative: Chloroquin und Proguanil (a-t 3 [1996], 31). Diese Kombination wird von britischen
Tropenmedizinern neuerdings wieder als Mefloquin-Ersatz für Kurzreisen bis zwei Wochen nach Kenia und Tansania empfohlen, obwohl sie etwas weniger
zuverlässig schützt. Für Aufenthalte in ländlichen Gebieten oder für Safari- oder Rucksackreisen gilt jedoch weiterhin die Empfehlung von
Mefloquin (a-t 11 [1997], 117).
Schwangeren ist von Aufenthalten in Gebieten mit Malaria abzuraten (erhöhtes Todesrisiko für Mutter und Kind sowie von Fehl- und
Totgeburten).5 Mefloquin wirkt im Tierversuch teratogen und ist im ersten Drittel der Schwan-gerschaft kontraindiziert. Wegen der langen Halbwertszeit
sollen Frauen drei Monate nach der letzten Dosis nicht schwanger werden. Es kann daher sinnvoll sein, für reisende Paare unterschiedliche Malariaregime
zusammenzustellen, da Chloroquin und Proguanil für das Ungeborene weniger riskant erscheinen.
TYPHIM VI - Erratum: Der Typhus-Impfstoff TYPHIM VI muss tief subkutan oder intramuskulär injiziert werden. Die intravenöse Applikation (wie von
uns versehentlich in der Preistabelle in a-t 7 [1998], 65 erwähnt) kann anaphylaktische Reaktionen bis hin zum Schock hervorrufen (Pasteur Mérieux MSD:
Schreiben vom 20. Juli 1998). Die Typhusimpfung erfordert eine Injektion (DM 37,80), - Red.
Die WHO rät davon ab, mit Säuglingen oder jüngeren Kindern in Malariagebieten Urlaub zu machen, vor allem wenn
Chloroquin-resistente P. falciparum vorkommen.5 Kinder sind besonders gefährdet, da sie rasch bedrohlich erkranken können und die Prophylaxe
wegen Unverträglichkeiten oder zum Teil fehlender Kinderdarreichungsformen schwierig ist. Erkrankt ein Kind nach Rückkehr aus einem Malariagebiet an
Fieber, sollte dies bis zum Beweis des Gegenteils als Malaria-bedingt angesehen werden.5
FAZIT: Wer auf Fernreisen hygienische Grundregeln befolgt, sich vor Mückenstichen schützt und eine bedarfsgerechte Impf- und Malariaprophylaxe
einhält, sorgt regelrecht vor, auch wenn sich damit kein absoluter Schutz vor Reisediarrhoe, Typhus und Malaria garantieren lässt. Die Bedarfsprophylaxe
zum Beispiel gegen Hepatitis A ist teuer, hält jedoch für mehr als eine Reisesaison.
* Ratschläge für Flugreisende in a-t 6 (1996), 56
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